Freiheit für die Cuban 5 – zur Verlogenheit der USA im Antiterrorkampf
Sonntag, 10. Juni 2012 | Autor: hfe | Diese Seite als PDF herunterladen
Rede von Norman Paech in Washington im Frühjahr 2012
Liebe Freunde, lasst mich zuerst danken für Eure Einladung zu dieser wichtigen Woche in Washington. Ich bin gekommen, um Euch die Solidarität zahlreicher Menschen in Deutschland für die fünf in den USA seit langem inhaftierten Kubaner zu überbringen. Sie ist dokumentiert in den 5000 Unterschriften mit der Forderung nach Freilassung der Inhaftierten. Sie könnte größer sein und wir arbeiten in Deutschland täglich daran, diese Solidarität zu verbreitern.
Druckversion Washington Cuban Five
Lasst mich Euch erklären, wie wir die Sache sehen. Wir nehmen in den Gefangenen fünf Kubaner mit ganz unterschiedlichen Lebensläufen wahr, die jedoch eines gemeinsam haben: die Überzeugung, dass der Kampf für die Revolution nicht mit dem Sieg über die alte Herrschaft vollendet ist. Er dauert fort, bis der alte Gegner den neuen, selbstbestimmten Weg des kubanischen Volkes akzeptiert und seine ständigen Versuche aufgibt, mit politischen, ökonomischen, militärischen und terroristischen Mitteln die Revolution rückgängig zu machen.
Die Mission, die die nach Florida entsandten Patrioten übernommen hatten, sollte die zahlreichen antikubanischen und konterrevolutionären Organisationen unterwandern, deren terroristische Aktivitäten gegen Kuba auskundschaften und die Informationen an die kubanische Regierung weitergeben. Das verstieß zwar gegen US-amerikanische Gesetze, da die Fünf ihre nachrichtendienstlichen Aktivitäten den US-amerikanischen Behörden nicht mitgeteilt hatten. Es war aber kein Vergehen, welches so schwere Freiheitsstrafen nach sich ziehen konnte. Eine Spionagetätigkeit gegen die USA, wie sie ihnen vom Gericht vorgeworfen wurde, kann man nur dann daraus konstruieren, wenn man nämlich unterstellt, dass die US-Behörden jene illegalen antikubanischen Aktivitäten aktiv unterstützten und sich zu eigen machten. Dafür spricht in der Tat vieles, denn die US-Behörden hatten Kenntnis von diesen völkerrechtswidrigen Aktivitäten und haben nichts gegen sie unternommen.
Als ich im Juni 2007 in Havanna war, hatte die US-amerikanische Justiz gerade Luis Posada Carilles, CIA-Agent und einer der bekanntesten und gesuchtesten Terroristen, von dem Vergehen der illegalen Einreise in die USA freigesprochen. Er hat die Explosion eines Flugzeuges der „Cubana de Aviación“ am 6. Oktober 1976 auf dem Gewissen, bei der 73 Passagiere ums Leben kamen. Er ist verantwortlich für mehrere Bombenanschläge auf touristische Anlagen in Kuba und war aus einem venezolanischen Gefängnis geflohen, in dem er wegen seiner Terroraktivitäten inhaftiert war. Denn diese beschränkten sich nicht auf Kuba. Seine Anschläge gegen kubanische Einrichtungen hatte er u. a. von El Salvador aus organisiert, wo er mit der CIA unter der Leitung des berüchtigten Oliver North die Rückzugsmöglichkeiten für die Contras in Nicaragua sowie die Waffentransporte im Rahmen des Iran-Contra-Skandals koordinierte. Im Jahr 2000 hatte er einen Bombenanschlag auf Fidel Castro während seiner Rede beim Iberoamerikanischen Gipfel in Panama vorbereitet. Er wurde mit seinen Komplizen gefasst, aber vier Jahre später begnadigt. 2005 tauchte er wieder in den USA auf und wurde dort bei einer Pressekonferenz verhaftet – er hatte sich offensichtlich zu sicher gefühlt. Der Freispruch im Mai 2007 und die Entlassung von Posada Carriles aus dem Gefängnis enthüllt die skandalöse Seite des US-amerikanischen Kampfes gegen den Terror. Dieser Kampf schützt die Karriere eines sich offen zum Terror bekennenden Kriminellen, der nun als freier Bürger in den USA seinen Lebensabend verbringen kann. Gleichzeitig verfolgen FBI und Justiz gnadenlos die Versuche derjenigen, die den Terror verhindern wollen, der von US-amerikanischem Territorium ausgeht. Die USA wären selbst verpflichtet, ihn zu unterbinden. Nur selten zeigt sich die Verlogenheit einer Kampagne so deutlich wie bei der Vorzugsbehandlung dieses Terroristen und der Verfolgung von Menschen, die sich dem Kampf gegen den Terrorismus verschrieben haben.
Wer weiß schon in Europa, dass durch die Anschläge dieser Terroristen, zumeist aus exilkubanischen Kreisen stammen und von der CIA ausgebildet worden sind, bis zum Jahr 1999 etwa 3500 Kubaner getötet wurden und 2100 schwere Verletzungen erlitten? Wer weiß von den schweren Schäden, die die kubanische Wirtschaft dadurch erlitten hat? Die kubanische Regierung hatte dem FBI 1998 umfassendes Material über die Aktivitäten der Exilkubaner übermittelt, das ihre Aufklärer in Florida gesammelt hatten. Darunter waren Sprengstoffsubstanzen, die von Bomben stammten, die in einem Hotel und einem Touristenbus entdeckt worden waren, Mitschnitte von Luis Posada Carriles’ Telefonaten, die Informationen über Terroranschläge in Kuba enthielten, und anderes eindeutiges Beweismaterial. Das FBI zeigte sich zwar beeindruckt und versprach Ermittlungen gegen die Terrormafia. Er täuschte jedoch seine Gesprächspartner in Havanna und wandte seine ganze Aufmerksamkeit den Informanten zu, von denen er schließlich zehn in einer spektakulären Aktion am 12. September 1998 verhaftete. Zwei Tage später erklärte der US-Staatsanwalt auf einer Pressekonferenz im Hauptquartier des FBI: „Dieser Spionagering wurde von der kubanischen Regierung geschickt, um unser nationales Sicherheitssystem, ja, unseren demokratischen Rechtsablauf mitten ins Herz zu treffen.“
Zynischer kann man sich auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kaum berufen als mit dieser Identifikation ausgewiesener Terrororganisationen im Süden der USA mit ihrem „nationalen Sicherheitssystem“. Niemand hätte etwas einwenden können gegen eine Anklage wegen des Versäumnisses, die undercover-Aufklärung bei den US-amerikanischen Behörden anzumelden. Aber eine Anklage und spätere Verurteilung wegen „Verschwörung zu Spionage und Mord“ ist auch bei weitestgehender Auslegung des Strafgesetzes nur unter schwerer Verbiegung des Rechts möglich. Die Angeklagten wollten mit ihrer „Spionage“ schwerste Verstöße gegen das Völkerrecht verhindern, die private Gruppen von US-Territorium aus regelmäßig begingen. Sie hatten nie das staatliche Sicherheitssystem der USA selbst im Blick und hatten keinerlei Informationen darüber weitergeleitet. Aber ein Merkmal politischer Justiz ist der willkürliche Umgang mit den eigenen Gesetzen.
Doch dies ist nur ein Vorwurf gegen das Verfahren, dem die fünf Gefangenen ausgesetzt wurden. Das Gericht tagte in Miami, Hochburg der Exilkubaner und ein wegen seiner notorisch antikubanischen Atmosphäre vollkommen ungeeigneter Ort für ein faires Gerichtsverfahren. Dies wurde auch im August 2005 von einer Berufungskammer in Atlanta so gesehen. Es hob die Urteile als unfair und rechtswidrig auf und verlangte einen neuen Prozess an einem neuen Ort. Im März davor hatte schon eine „Arbeitsgruppe über willkürliche Haft“ der UN-Menschenrechtskommission in Genf harte Kritik an den Haftbedingungen und dem Verfahren geübt. Nach der Verhaftung waren die Gefangenen 17 Monate in Isolationshaft gehalten worden, der Kontakt zu ihren Anwälten und der Zugang zu Beweismitteln war dadurch stark eingeschränkt – ein schwerer Verstoß gegen die Habeas Corpus-Rechte der Angeklagten. Zudem hatte das Gericht alle von den Verhafteten gesammelten Dokumente und Materialien sowie andere Beweismittel nach dem Classified Information Procedures Act (CIPA) als geheim eingestuft und damit dem Zugang durch die Anwälte entzogen. Es herrschte ein Klima der Voreingenommenheit und Vorverurteilung gegen die Angeklagten, das keinen fairen Prozess im Sinne des Artikels 14 des Internationalen Paktes über die bürgerlichen und politischen Rechte zuließ. Jetzt ist auch erwiesen, was schon immer vermutet wurde: die meisten Journalisten, die über den Prozess unterrichteten, standen auf der payroll der Regierung.
Die Berufungskammer in Atlanta war zu dem gleichen Ergebnis gekommen und listete all die Gruppen auf, die seit Jahrzehnten geheime und offene terroristische Operationen gegen Kuba unternommen hatten: Alpha 66, Brigade 2506, Brothers to the Rescue, Independent und Democratic Cuba, Comandos L, Cuban American National Foundation und andere. Sie folgerte daraus, „die Annahme, dass diese Gruppen die Juroren derart einschüchtern können, dass es das Urteil ungünstig beeinträchtigt“, sei „naheliegend“. Doch die Freude über diese faire Entscheidung dauerte nicht lange, genau ein Jahr, dann hob das Berufungsgericht die Entscheidung seiner Kammer wieder auf. Nun sind alle juristischen Möglichkeiten erschöpft, die grundsätzliche Legitimation des Prozesses kann nicht mehr wirksam vor Gericht angegriffen werden.
Ich greife hier nur einen der zahlreichen Aspekte auf, die diesen Prozess für uns in Deutschland so unverständlich macht. Gerardo Hernández ist wegen „Verschwörung zum Mord“ zu zweimal lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Dem lag folgender Tatbestand zugrunde: Die kubanische Regierung hatte nach zahlreichen Warnungen an die Behörden der USA schließlich ernst gemacht und zwei der drei in ihren Luftraum eindringenden Kleinflugzeuge der Gruppe „Brothers to the Rescue“ abgeschossen. Vier der Abenteurer starben, während der Organisator dieser Provokation, der Schweinebucht-Veteran Basulto, vorher abdrehte und sicher wieder in Miami landete. Das Gericht machte Gerardo Hernández für den Abschuss durch die Kubaner verantwortlich. Er war offensichtlich über die Flüge unterrichtet, der Tatbestand der Verschwörung verlangt jedoch, dass der Angeklagte von dem geplanten Abschuss zumindest gewusst hat. Das konnte die Regierung nach eigenem Eingeständnis nicht beweisen. Auch die Kammer hatte in der ersten Anhörung 2004 auf das Fehlen von Beweisen hingewiesen. Auf die Überlegung, dass jede Regierung eines souveränen Staates, also auch Kuba, befugt ist, sein Territorium gegen Provokationen und Grenzverletzungen zu schützen, verschwendete das Gericht kein Argument. Nur wenn der Abschuss eines Flugzeuges in dieser Situation die verhältnismäßigen Mittel zum Schutz der territorialen Integrität übersteigt, könnten Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit begründen. Zu einer „Verschwörung zum Mord“ bietet dieser Vorfall jedoch keine Anhaltspunkte.
Der Antiterrorkampf steht im Zentrum der Außenpolitik der USA. Mit ihm legitimieren sie ihre Kriege in Afghanistan und Irak sowie ihre weltweiten militärischen Interventionen, ob in Sudan oder Somalia, vollkommen ohne Rücksicht auf Völkerrecht und UNO-Charta. In diesem Kampf hat auch die Justiz ihre Aufgaben. Es kommt allerdings darauf an, wie man den Terror definiert. Die fünf Kubaner, die sich unbewaffnet und ohne jeden Kontakt zu internationalen Terrornetzwerken in die exilkubanischen Gruppen eingeschlichen hatten, um deren Aktivitäten gegen Kuba zu entlarven und zu unterbinden, werden von den US-amerikanischen Gerichten zu Terroristen erklärt. Gemeinhin gelten jedoch gerade die Aktivitäten, die die Fünf verhindern wollten, als Terror: Attentate, Sprengstoffanschläge, Eindringen in fremden Luftraum. US-Administration und CIA unterstützen diesen Terror ganz offensichtlich. Sie sind nicht daran interessiert, von ihrer Südküste ausgehende offene Kriminalität und völkerrechtswidrige Intervention zu unterbinden, solange sie sich gegen Kuba richten. Nun reiht sich auch die Justiz in diesen Kampf ein und straft damit ihren Anspruch auf politische Neutralität Lügen.
Wenn wir heute für diese fünf Männer demonstrieren und ihre Freilassung fordern, dürfen wir ihre Familien, insbesondere ihre Ehefrauen, nicht vergessen, die vorbehaltlos während dieser schwierigen Jahre zu ihren Söhnen, Ehemännern und Vätern gestanden haben. Die Fünf sind in verschiedenen, weit voneinander getrennten Hochsicherheitsgefängnissen inhaftiert. Das erschwert die Kommunikation nicht nur mit ihren Verteidigern, sondern auch mit ihren Angehörigen, sofern ihnen überhaupt ein Besuch erlaubt wird. 17 Monate Isolationshaft bedeuteten nicht nur grauenhafte Haftbedingungen, sondern auch fast eineinhalb Jahre keinen Kontakt zu den Angehörigen, von denen die meisten bis zur Verhaftung nichts von der Mission der Fünf in den USA gewusst haben. Sie haben sich nicht von den Gefangenen distanziert, haben zu ihnen gestanden, sie unterstützt, wo es ging. Ihnen wird nach wie vor die Einreise zum Besuch ihrer Ehemänner erschwert. Adriana Pérez und Olga Salanueva, den beiden Ehefrauen von Gerardo Hernández und René Gonzáles, wurde bis zum heutigen Zeitpunkt die Einreise in die USA verwehrt, sodass sie seit über 13 Jahren – gegen jedes internationales Recht – keinen Kontakt zu ihren Ehemännern haben. Als Olga noch in den USA lebte, war sie heftigen Angriffen in der Öffentlichkeit ausgesetzt und für drei Monate in einem Untersuchungsgefängnis inhaftiert. Doch gerade die ungebrochene Unterstützung ihrer Angehörigen, wenn auch nur aus der Ferne, hat es den Männern ermöglicht, ihrer Heimat und ihrer Mission treu zu bleiben.
Ein letztes Wort gilt dem Gedenken eines großen Verteidigers und persönlichen Freund, Leonard Weinglass, den ich bereits bei seiner Verteidigung von Mumia Abu Jamal kennen und schätzen gelernt habe. Er hätte auch in diesem Verfahren wahrscheinlich das Blatt nicht mehr wenden können. Aber er war eine große Persönlichkeit von einem unbestechlichen Urteil, ungewöhnlichen Engagement und totaler Verpflichtung auf die rule of law. Als Freunde Leonard Weinglass zu der Entlassung der Fünf aus der Isolationshaft gratulierten, wehrte er ab: „Es gibt viele, viele, denen man gratulieren muss, denn es war die Antwort der Solidaritätsbewegung, die die Fünf aus der Isolationshaft befreit hat.“ Das haben wir auch in Deutschland begriffen. Nur wenn es uns gelingt, diese Solidaritätsbewegung am Leben zu halten, sie mit neuen Initiativen zu stärken und zu erweitern, können wir die fünf Männer aus dieser unwürdigen Gefangenschaft befreien.
Freiheit für die Cuban 5 – zur Verlogenheit der USA im Antiterrorkampf
Rede von Norman Paech in Washington im Frühjahr 2012
Liebe Freunde, lasst mich zuerst danken für Eure Einladung zu dieser wichtigen Woche in Washington. Ich bin gekommen, um Euch die Solidarität zahlreicher Menschen in Deutschland für die fünf in den USA seit langem inhaftierten Kubaner zu überbringen. Sie ist dokumentiert in den 5000 Unterschriften mit der Forderung nach Freilassung der Inhaftierten. Sie könnte größer sein und wir arbeiten in Deutschland täglich daran, diese Solidarität zu verbreitern.
Lasst mich Euch erklären, wie wir die Sache sehen. Wir nehmen in den Gefangenen fünf Kubaner mit ganz unterschiedlichen Lebensläufen wahr, die jedoch eines gemeinsam haben: die Überzeugung, dass der Kampf für die Revolution nicht mit dem Sieg über die alte Herrschaft vollendet ist. Er dauert fort, bis der alte Gegner den neuen, selbstbestimmten Weg des kubanischen Volkes akzeptiert und seine ständigen Versuche aufgibt, mit politischen, ökonomischen, militärischen und terroristischen Mitteln die Revolution rückgängig zu machen.
Die Mission, die die nach Florida entsandten Patrioten übernommen hatten, sollte die zahlreichen antikubanischen und konterrevolutionären Organisationen unterwandern, deren terroristische Aktivitäten gegen Kuba auskundschaften und die Informationen an die kubanische Regierung weitergeben. Das verstieß zwar gegen US-amerikanische Gesetze, da die Fünf ihre nachrichtendienstlichen Aktivitäten den US-amerikanischen Behörden nicht mitgeteilt hatten. Es war aber kein Vergehen, welches so schwere Freiheitsstrafen nach sich ziehen konnte. Eine Spionagetätigkeit gegen die USA, wie sie ihnen vom Gericht vorgeworfen wurde, kann man nur dann daraus konstruieren, wenn man nämlich unterstellt, dass die US-Behörden jene illegalen antikubanischen Aktivitäten aktiv unterstützten und sich zu eigen machten. Dafür spricht in der Tat vieles, denn die US-Behörden hatten Kenntnis von diesen völkerrechtswidrigen Aktivitäten und haben nichts gegen sie unternommen.
Als ich im Juni 2007 in Havanna war, hatte die US-amerikanische Justiz gerade Luis Posada Carilles, CIA-Agent und einer der bekanntesten und gesuchtesten Terroristen, von dem Vergehen der illegalen Einreise in die USA freigesprochen. Er hat die Explosion eines Flugzeuges der „Cubana de Aviación“ am 6. Oktober 1976 auf dem Gewissen, bei der 73 Passagiere ums Leben kamen. Er ist verantwortlich für mehrere Bombenanschläge auf touristische Anlagen in Kuba und war aus einem venezolanischen Gefängnis geflohen, in dem er wegen seiner Terroraktivitäten inhaftiert war. Denn diese beschränkten sich nicht auf Kuba. Seine Anschläge gegen kubanische Einrichtungen hatte er u. a. von El Salvador aus organisiert, wo er mit der CIA unter der Leitung des berüchtigten Oliver North die Rückzugsmöglichkeiten für die Contras in Nicaragua sowie die Waffentransporte im Rahmen des Iran-Contra-Skandals koordinierte. Im Jahr 2000 hatte er einen Bombenanschlag auf Fidel Castro während seiner Rede beim Iberoamerikanischen Gipfel in Panama vorbereitet. Er wurde mit seinen Komplizen gefasst, aber vier Jahre später begnadigt. 2005 tauchte er wieder in den USA auf und wurde dort bei einer Pressekonferenz verhaftet – er hatte sich offensichtlich zu sicher gefühlt. Der Freispruch im Mai 2007 und die Entlassung von Posada Carriles aus dem Gefängnis enthüllt die skandalöse Seite des US-amerikanischen Kampfes gegen den Terror. Dieser Kampf schützt die Karriere eines sich offen zum Terror bekennenden Kriminellen, der nun als freier Bürger in den USA seinen Lebensabend verbringen kann. Gleichzeitig verfolgen FBI und Justiz gnadenlos die Versuche derjenigen, die den Terror verhindern wollen, der von US-amerikanischem Territorium ausgeht. Die USA wären selbst verpflichtet, ihn zu unterbinden. Nur selten zeigt sich die Verlogenheit einer Kampagne so deutlich wie bei der Vorzugsbehandlung dieses Terroristen und der Verfolgung von Menschen, die sich dem Kampf gegen den Terrorismus verschrieben haben.
Wer weiß schon in Europa, dass durch die Anschläge dieser Terroristen, zumeist aus exilkubanischen Kreisen stammen und von der CIA ausgebildet worden sind, bis zum Jahr 1999 etwa 3500 Kubaner getötet wurden und 2100 schwere Verletzungen erlitten? Wer weiß von den schweren Schäden, die die kubanische Wirtschaft dadurch erlitten hat? Die kubanische Regierung hatte dem FBI 1998 umfassendes Material über die Aktivitäten der Exilkubaner übermittelt, das ihre Aufklärer in Florida gesammelt hatten. Darunter waren Sprengstoffsubstanzen, die von Bomben stammten, die in einem Hotel und einem Touristenbus entdeckt worden waren, Mitschnitte von Luis Posada Carriles’ Telefonaten, die Informationen über Terroranschläge in Kuba enthielten, und anderes eindeutiges Beweismaterial. Das FBI zeigte sich zwar beeindruckt und versprach Ermittlungen gegen die Terrormafia. Er täuschte jedoch seine Gesprächspartner in Havanna und wandte seine ganze Aufmerksamkeit den Informanten zu, von denen er schließlich zehn in einer spektakulären Aktion am 12. September 1998 verhaftete. Zwei Tage später erklärte der US-Staatsanwalt auf einer Pressekonferenz im Hauptquartier des FBI: „Dieser Spionagering wurde von der kubanischen Regierung geschickt, um unser nationales Sicherheitssystem, ja, unseren demokratischen Rechtsablauf mitten ins Herz zu treffen.“
Zynischer kann man sich auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kaum berufen als mit dieser Identifikation ausgewiesener Terrororganisationen im Süden der USA mit ihrem „nationalen Sicherheitssystem“. Niemand hätte etwas einwenden können gegen eine Anklage wegen des Versäumnisses, die undercover-Aufklärung bei den US-amerikanischen Behörden anzumelden. Aber eine Anklage und spätere Verurteilung wegen „Verschwörung zu Spionage und Mord“ ist auch bei weitestgehender Auslegung des Strafgesetzes nur unter schwerer Verbiegung des Rechts möglich. Die Angeklagten wollten mit ihrer „Spionage“ schwerste Verstöße gegen das Völkerrecht verhindern, die private Gruppen von US-Territorium aus regelmäßig begingen. Sie hatten nie das staatliche Sicherheitssystem der USA selbst im Blick und hatten keinerlei Informationen darüber weitergeleitet. Aber ein Merkmal politischer Justiz ist der willkürliche Umgang mit den eigenen Gesetzen.
Doch dies ist nur ein Vorwurf gegen das Verfahren, dem die fünf Gefangenen ausgesetzt wurden. Das Gericht tagte in Miami, Hochburg der Exilkubaner und ein wegen seiner notorisch antikubanischen Atmosphäre vollkommen ungeeigneter Ort für ein faires Gerichtsverfahren. Dies wurde auch im August 2005 von einer Berufungskammer in Atlanta so gesehen. Es hob die Urteile als unfair und rechtswidrig auf und verlangte einen neuen Prozess an einem neuen Ort. Im März davor hatte schon eine „Arbeitsgruppe über willkürliche Haft“ der UN-Menschenrechtskommission in Genf harte Kritik an den Haftbedingungen und dem Verfahren geübt. Nach der Verhaftung waren die Gefangenen 17 Monate in Isolationshaft gehalten worden, der Kontakt zu ihren Anwälten und der Zugang zu Beweismitteln war dadurch stark eingeschränkt – ein schwerer Verstoß gegen die Habeas Corpus-Rechte der Angeklagten. Zudem hatte das Gericht alle von den Verhafteten gesammelten Dokumente und Materialien sowie andere Beweismittel nach dem Classified Information Procedures Act (CIPA) als geheim eingestuft und damit dem Zugang durch die Anwälte entzogen. Es herrschte ein Klima der Voreingenommenheit und Vorverurteilung gegen die Angeklagten, das keinen fairen Prozess im Sinne des Artikels 14 des Internationalen Paktes über die bürgerlichen und politischen Rechte zuließ. Jetzt ist auch erwiesen, was schon immer vermutet wurde: die meisten Journalisten, die über den Prozess unterrichteten, standen auf der payroll der Regierung.
Die Berufungskammer in Atlanta war zu dem gleichen Ergebnis gekommen und listete all die Gruppen auf, die seit Jahrzehnten geheime und offene terroristische Operationen gegen Kuba unternommen hatten: Alpha 66, Brigade 2506, Brothers to the Rescue, Independent und Democratic Cuba, Comandos L, Cuban American National Foundation und andere. Sie folgerte daraus, „die Annahme, dass diese Gruppen die Juroren derart einschüchtern können, dass es das Urteil ungünstig beeinträchtigt“, sei „naheliegend“. Doch die Freude über diese faire Entscheidung dauerte nicht lange, genau ein Jahr, dann hob das Berufungsgericht die Entscheidung seiner Kammer wieder auf. Nun sind alle juristischen Möglichkeiten erschöpft, die grundsätzliche Legitimation des Prozesses kann nicht mehr wirksam vor Gericht angegriffen werden.
Ich greife hier nur einen der zahlreichen Aspekte auf, die diesen Prozess für uns in Deutschland so unverständlich macht. Gerardo Hernández ist wegen „Verschwörung zum Mord“ zu zweimal lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Dem lag folgender Tatbestand zugrunde: Die kubanische Regierung hatte nach zahlreichen Warnungen an die Behörden der USA schließlich ernst gemacht und zwei der drei in ihren Luftraum eindringenden Kleinflugzeuge der Gruppe „Brothers to the Rescue“ abgeschossen. Vier der Abenteurer starben, während der Organisator dieser Provokation, der Schweinebucht-Veteran Basulto, vorher abdrehte und sicher wieder in Miami landete. Das Gericht machte Gerardo Hernández für den Abschuss durch die Kubaner verantwortlich. Er war offensichtlich über die Flüge unterrichtet, der Tatbestand der Verschwörung verlangt jedoch, dass der Angeklagte von dem geplanten Abschuss zumindest gewusst hat. Das konnte die Regierung nach eigenem Eingeständnis nicht beweisen. Auch die Kammer hatte in der ersten Anhörung 2004 auf das Fehlen von Beweisen hingewiesen. Auf die Überlegung, dass jede Regierung eines souveränen Staates, also auch Kuba, befugt ist, sein Territorium gegen Provokationen und Grenzverletzungen zu schützen, verschwendete das Gericht kein Argument. Nur wenn der Abschuss eines Flugzeuges in dieser Situation die verhältnismäßigen Mittel zum Schutz der territorialen Integrität übersteigt, könnten Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit begründen. Zu einer „Verschwörung zum Mord“ bietet dieser Vorfall jedoch keine Anhaltspunkte.
Der Antiterrorkampf steht im Zentrum der Außenpolitik der USA. Mit ihm legitimieren sie ihre Kriege in Afghanistan und Irak sowie ihre weltweiten militärischen Interventionen, ob in Sudan oder Somalia, vollkommen ohne Rücksicht auf Völkerrecht und UNO-Charta. In diesem Kampf hat auch die Justiz ihre Aufgaben. Es kommt allerdings darauf an, wie man den Terror definiert. Die fünf Kubaner, die sich unbewaffnet und ohne jeden Kontakt zu internationalen Terrornetzwerken in die exilkubanischen Gruppen eingeschlichen hatten, um deren Aktivitäten gegen Kuba zu entlarven und zu unterbinden, werden von den US-amerikanischen Gerichten zu Terroristen erklärt. Gemeinhin gelten jedoch gerade die Aktivitäten, die die Fünf verhindern wollten, als Terror: Attentate, Sprengstoffanschläge, Eindringen in fremden Luftraum. US-Administration und CIA unterstützen diesen Terror ganz offensichtlich. Sie sind nicht daran interessiert, von ihrer Südküste ausgehende offene Kriminalität und völkerrechtswidrige Intervention zu unterbinden, solange sie sich gegen Kuba richten. Nun reiht sich auch die Justiz in diesen Kampf ein und straft damit ihren Anspruch auf politische Neutralität Lügen.
Wenn wir heute für diese fünf Männer demonstrieren und ihre Freilassung fordern, dürfen wir ihre Familien, insbesondere ihre Ehefrauen, nicht vergessen, die vorbehaltlos während dieser schwierigen Jahre zu ihren Söhnen, Ehemännern und Vätern gestanden haben. Die Fünf sind in verschiedenen, weit voneinander getrennten Hochsicherheitsgefängnissen inhaftiert. Das erschwert die Kommunikation nicht nur mit ihren Verteidigern, sondern auch mit ihren Angehörigen, sofern ihnen überhaupt ein Besuch erlaubt wird. 17 Monate Isolationshaft bedeuteten nicht nur grauenhafte Haftbedingungen, sondern auch fast eineinhalb Jahre keinen Kontakt zu den Angehörigen, von denen die meisten bis zur Verhaftung nichts von der Mission der Fünf in den USA gewusst haben. Sie haben sich nicht von den Gefangenen distanziert, haben zu ihnen gestanden, sie unterstützt, wo es ging. Ihnen wird nach wie vor die Einreise zum Besuch ihrer Ehemänner erschwert. Adriana Pérez und Olga Salanueva, den beiden Ehefrauen von Gerardo Hernández und René Gonzáles, wurde bis zum heutigen Zeitpunkt die Einreise in die USA verwehrt, sodass sie seit über 13 Jahren – gegen jedes internationales Recht – keinen Kontakt zu ihren Ehemännern haben. Als Olga noch in den USA lebte, war sie heftigen Angriffen in der Öffentlichkeit ausgesetzt und für drei Monate in einem Untersuchungsgefängnis inhaftiert. Doch gerade die ungebrochene Unterstützung ihrer Angehörigen, wenn auch nur aus der Ferne, hat es den Männern ermöglicht, ihrer Heimat und ihrer Mission treu zu bleiben.
Ein letztes Wort gilt dem Gedenken eines großen Verteidigers und persönlichen Freund, Leonard Weinglass, den ich bereits bei seiner Verteidigung von Mumia Abu Jamal kennen und schätzen gelernt habe. Er hätte auch in diesem Verfahren wahrsc
Rede von Norman Paech in Washington im Frühjahr 2012
Liebe Freunde, lasst mich zuerst danken für Eure Einladung zu dieser wichtigen Woche in Washington. Ich bin gekommen, um Euch die Solidarität zahlreicher Menschen in Deutschland für die fünf in den USA seit langem inhaftierten Kubaner zu überbringen. Sie ist dokumentiert in den 5000 Unterschriften mit der Forderung nach Freilassung der Inhaftierten. Sie könnte größer sein und wir arbeiten in Deutschland täglich daran, diese Solidarität zu verbreitern.
Lasst mich Euch erklären, wie wir die Sache sehen. Wir nehmen in den Gefangenen fünf Kubaner mit ganz unterschiedlichen Lebensläufen wahr, die jedoch eines gemeinsam haben: die Überzeugung, dass der Kampf für die Revolution nicht mit dem Sieg über die alte Herrschaft vollendet ist. Er dauert fort, bis der alte Gegner den neuen, selbstbestimmten Weg des kubanischen Volkes akzeptiert und seine ständigen Versuche aufgibt, mit politischen, ökonomischen, militärischen und terroristischen Mitteln die Revolution rückgängig zu machen.
Die Mission, die die nach Florida entsandten Patrioten übernommen hatten, sollte die zahlreichen antikubanischen und konterrevolutionären Organisationen unterwandern, deren terroristische Aktivitäten gegen Kuba auskundschaften und die Informationen an die kubanische Regierung weitergeben. Das verstieß zwar gegen US-amerikanische Gesetze, da die Fünf ihre nachrichtendienstlichen Aktivitäten den US-amerikanischen Behörden nicht mitgeteilt hatten. Es war aber kein Vergehen, welches so schwere Freiheitsstrafen nach sich ziehen konnte. Eine Spionagetätigkeit gegen die USA, wie sie ihnen vom Gericht vorgeworfen wurde, kann man nur dann daraus konstruieren, wenn man nämlich unterstellt, dass die US-Behörden jene illegalen antikubanischen Aktivitäten aktiv unterstützten und sich zu eigen machten. Dafür spricht in der Tat vieles, denn die US-Behörden hatten Kenntnis von diesen völkerrechtswidrigen Aktivitäten und haben nichts gegen sie unternommen.
Als ich im Juni 2007 in Havanna war, hatte die US-amerikanische Justiz gerade Luis Posada Carilles, CIA-Agent und einer der bekanntesten und gesuchtesten Terroristen, von dem Vergehen der illegalen Einreise in die USA freigesprochen. Er hat die Explosion eines Flugzeuges der „Cubana de Aviación“ am 6. Oktober 1976 auf dem Gewissen, bei der 73 Passagiere ums Leben kamen. Er ist verantwortlich für mehrere Bombenanschläge auf touristische Anlagen in Kuba und war aus einem venezolanischen Gefängnis geflohen, in dem er wegen seiner Terroraktivitäten inhaftiert war. Denn diese beschränkten sich nicht auf Kuba. Seine Anschläge gegen kubanische Einrichtungen hatte er u. a. von El Salvador aus organisiert, wo er mit der CIA unter der Leitung des berüchtigten Oliver North die Rückzugsmöglichkeiten für die Contras in Nicaragua sowie die Waffentransporte im Rahmen des Iran-Contra-Skandals koordinierte. Im Jahr 2000 hatte er einen Bombenanschlag auf Fidel Castro während seiner Rede beim Iberoamerikanischen Gipfel in Panama vorbereitet. Er wurde mit seinen Komplizen gefasst, aber vier Jahre später begnadigt. 2005 tauchte er wieder in den USA auf und wurde dort bei einer Pressekonferenz verhaftet – er hatte sich offensichtlich zu sicher gefühlt. Der Freispruch im Mai 2007 und die Entlassung von Posada Carriles aus dem Gefängnis enthüllt die skandalöse Seite des US-amerikanischen Kampfes gegen den Terror. Dieser Kampf schützt die Karriere eines sich offen zum Terror bekennenden Kriminellen, der nun als freier Bürger in den USA seinen Lebensabend verbringen kann. Gleichzeitig verfolgen FBI und Justiz gnadenlos die Versuche derjenigen, die den Terror verhindern wollen, der von US-amerikanischem Territorium ausgeht. Die USA wären selbst verpflichtet, ihn zu unterbinden. Nur selten zeigt sich die Verlogenheit einer Kampagne so deutlich wie bei der Vorzugsbehandlung dieses Terroristen und der Verfolgung von Menschen, die sich dem Kampf gegen den Terrorismus verschrieben haben.
Wer weiß schon in Europa, dass durch die Anschläge dieser Terroristen, zumeist aus exilkubanischen Kreisen stammen und von der CIA ausgebildet worden sind, bis zum Jahr 1999 etwa 3500 Kubaner getötet wurden und 2100 schwere Verletzungen erlitten? Wer weiß von den schweren Schäden, die die kubanische Wirtschaft dadurch erlitten hat? Die kubanische Regierung hatte dem FBI 1998 umfassendes Material über die Aktivitäten der Exilkubaner übermittelt, das ihre Aufklärer in Florida gesammelt hatten. Darunter waren Sprengstoffsubstanzen, die von Bomben stammten, die in einem Hotel und einem Touristenbus entdeckt worden waren, Mitschnitte von Luis Posada Carriles’ Telefonaten, die Informationen über Terroranschläge in Kuba enthielten, und anderes eindeutiges Beweismaterial. Das FBI zeigte sich zwar beeindruckt und versprach Ermittlungen gegen die Terrormafia. Er täuschte jedoch seine Gesprächspartner in Havanna und wandte seine ganze Aufmerksamkeit den Informanten zu, von denen er schließlich zehn in einer spektakulären Aktion am 12. September 1998 verhaftete. Zwei Tage später erklärte der US-Staatsanwalt auf einer Pressekonferenz im Hauptquartier des FBI: „Dieser Spionagering wurde von der kubanischen Regierung geschickt, um unser nationales Sicherheitssystem, ja, unseren demokratischen Rechtsablauf mitten ins Herz zu treffen.“
Zynischer kann man sich auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kaum berufen als mit dieser Identifikation ausgewiesener Terrororganisationen im Süden der USA mit ihrem „nationalen Sicherheitssystem“. Niemand hätte etwas einwenden können gegen eine Anklage wegen des Versäumnisses, die undercover-Aufklärung bei den US-amerikanischen Behörden anzumelden. Aber eine Anklage und spätere Verurteilung wegen „Verschwörung zu Spionage und Mord“ ist auch bei weitestgehender Auslegung des Strafgesetzes nur unter schwerer Verbiegung des Rechts möglich. Die Angeklagten wollten mit ihrer „Spionage“ schwerste Verstöße gegen das Völkerrecht verhindern, die private Gruppen von US-Territorium aus regelmäßig begingen. Sie hatten nie das staatliche Sicherheitssystem der USA selbst im Blick und hatten keinerlei Informationen darüber weitergeleitet. Aber ein Merkmal politischer Justiz ist der willkürliche Umgang mit den eigenen Gesetzen.
Doch dies ist nur ein Vorwurf gegen das Verfahren, dem die fünf Gefangenen ausgesetzt wurden. Das Gericht tagte in Miami, Hochburg der Exilkubaner und ein wegen seiner notorisch antikubanischen Atmosphäre vollkommen ungeeigneter Ort für ein faires Gerichtsverfahren. Dies wurde auch im August 2005 von einer Berufungskammer in Atlanta so gesehen. Es hob die Urteile als unfair und rechtswidrig auf und verlangte einen neuen Prozess an einem neuen Ort. Im März davor hatte schon eine „Arbeitsgruppe über willkürliche Haft“ der UN-Menschenrechtskommission in Genf harte Kritik an den Haftbedingungen und dem Verfahren geübt. Nach der Verhaftung waren die Gefangenen 17 Monate in Isolationshaft gehalten worden, der Kontakt zu ihren Anwälten und der Zugang zu Beweismitteln war dadurch stark eingeschränkt – ein schwerer Verstoß gegen die Habeas Corpus-Rechte der Angeklagten. Zudem hatte das Gericht alle von den Verhafteten gesammelten Dokumente und Materialien sowie andere Beweismittel nach dem Classified Information Procedures Act (CIPA) als geheim eingestuft und damit dem Zugang durch die Anwälte entzogen. Es herrschte ein Klima der Voreingenommenheit und Vorverurteilung gegen die Angeklagten, das keinen fairen Prozess im Sinne des Artikels 14 des Internationalen Paktes über die bürgerlichen und politischen Rechte zuließ. Jetzt ist auch erwiesen, was schon immer vermutet wurde: die meisten Journalisten, die über den Prozess unterrichteten, standen auf der payroll der Regierung.
Die Berufungskammer in Atlanta war zu dem gleichen Ergebnis gekommen und listete all die Gruppen auf, die seit Jahrzehnten geheime und offene terroristische Operationen gegen Kuba unternommen hatten: Alpha 66, Brigade 2506, Brothers to the Rescue, Independent und Democratic Cuba, Comandos L, Cuban American National Foundation und andere. Sie folgerte daraus, „die Annahme, dass diese Gruppen die Juroren derart einschüchtern können, dass es das Urteil ungünstig beeinträchtigt“, sei „naheliegend“. Doch die Freude über diese faire Entscheidung dauerte nicht lange, genau ein Jahr, dann hob das Berufungsgericht die Entscheidung seiner Kammer wieder auf. Nun sind alle juristischen Möglichkeiten erschöpft, die grundsätzliche Legitimation des Prozesses kann nicht mehr wirksam vor Gericht angegriffen werden.
Ich greife hier nur einen der zahlreichen Aspekte auf, die diesen Prozess für uns in Deutschland so unverständlich macht. Gerardo Hernández ist wegen „Verschwörung zum Mord“ zu zweimal lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Dem lag folgender Tatbestand zugrunde: Die kubanische Regierung hatte nach zahlreichen Warnungen an die Behörden der USA schließlich ernst gemacht und zwei der drei in ihren Luftraum eindringenden Kleinflugzeuge der Gruppe „Brothers to the Rescue“ abgeschossen. Vier der Abenteurer starben, während der Organisator dieser Provokation, der Schweinebucht-Veteran Basulto, vorher abdrehte und sicher wieder in Miami landete. Das Gericht machte Gerardo Hernández für den Abschuss durch die Kubaner verantwortlich. Er war offensichtlich über die Flüge unterrichtet, der Tatbestand der Verschwörung verlangt jedoch, dass der Angeklagte von dem geplanten Abschuss zumindest gewusst hat. Das konnte die Regierung nach eigenem Eingeständnis nicht beweisen. Auch die Kammer hatte in der ersten Anhörung 2004 auf das Fehlen von Beweisen hingewiesen. Auf die Überlegung, dass jede Regierung eines souveränen Staates, also auch Kuba, befugt ist, sein Territorium gegen Provokationen und Grenzverletzungen zu schützen, verschwendete das Gericht kein Argument. Nur wenn der Abschuss eines Flugzeuges in dieser Situation die verhältnismäßigen Mittel zum Schutz der territorialen Integrität übersteigt, könnten Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit begründen. Zu einer „Verschwörung zum Mord“ bietet dieser Vorfall jedoch keine Anhaltspunkte.
Der Antiterrorkampf steht im Zentrum der Außenpolitik der USA. Mit ihm legitimieren sie ihre Kriege in Afghanistan und Irak sowie ihre weltweiten militärischen Interventionen, ob in Sudan oder Somalia, vollkommen ohne Rücksicht auf Völkerrecht und UNO-Charta. In diesem Kampf hat auch die Justiz ihre Aufgaben. Es kommt allerdings darauf an, wie man den Terror definiert. Die fünf Kubaner, die sich unbewaffnet und ohne jeden Kontakt zu internationalen Terrornetzwerken in die exilkubanischen Gruppen eingeschlichen hatten, um deren Aktivitäten gegen Kuba zu entlarven und zu unterbinden, werden von den US-amerikanischen Gerichten zu Terroristen erklärt. Gemeinhin gelten jedoch gerade die Aktivitäten, die die Fünf verhindern wollten, als Terror: Attentate, Sprengstoffanschläge, Eindringen in fremden Luftraum. US-Administration und CIA unterstützen diesen Terror ganz offensichtlich. Sie sind nicht daran interessiert, von ihrer Südküste ausgehende offene Kriminalität und völkerrechtswidrige Intervention zu unterbinden, solange sie sich gegen Kuba richten. Nun reiht sich auch die Justiz in diesen Kampf ein und straft damit ihren Anspruch auf politische Neutralität Lügen.
Wenn wir heute für diese fünf Männer demonstrieren und ihre Freilassung fordern, dürfen wir ihre Familien, insbesondere ihre Ehefrauen, nicht vergessen, die vorbehaltlos während dieser schwierigen Jahre zu ihren Söhnen, Ehemännern und Vätern gestanden haben. Die Fünf sind in verschiedenen, weit voneinander getrennten Hochsicherheitsgefängnissen inhaftiert. Das erschwert die Kommunikation nicht nur mit ihren Verteidigern, sondern auch mit ihren Angehörigen, sofern ihnen überhaupt ein Besuch erlaubt wird. 17 Monate Isolationshaft bedeuteten nicht nur grauenhafte Haftbedingungen, sondern auch fast eineinhalb Jahre keinen Kontakt zu den Angehörigen, von denen die meisten bis zur Verhaftung nichts von der Mission der Fünf in den USA gewusst haben. Sie haben sich nicht von den Gefangenen distanziert, haben zu ihnen gestanden, sie unterstützt, wo es ging. Ihnen wird nach wie vor die Einreise zum Besuch ihrer Ehemänner erschwert. Adriana Pérez und Olga Salanueva, den beiden Ehefrauen von Gerardo Hernández und René Gonzáles, wurde bis zum heutigen Zeitpunkt die Einreise in die USA verwehrt, sodass sie seit über 13 Jahren – gegen jedes internationales Recht – keinen Kontakt zu ihren Ehemännern haben. Als Olga noch in den USA lebte, war sie heftigen Angriffen in der Öffentlichkeit ausgesetzt und für drei Monate in einem Untersuchungsgefängnis inhaftiert. Doch gerade die ungebrochene Unterstützung ihrer Angehörigen, wenn auch nur aus der Ferne, hat es den Männern ermöglicht, ihrer Heimat und ihrer Mission treu zu bleiben.
Ein letztes Wort gilt dem Gedenken eines großen Verteidigers und persönlichen Freund, Leonard Weinglass, den ich bereits bei seiner Verteidigung von Mumia Abu Jamal kennen und schätzen gelernt habe. Er hätte auch in diesem Verfahren wahrscheinlich das Blatt nicht mehr wenden können. Aber er war eine große Persönlichkeit von einem unbestechlichen Urteil, ungewöhnlichen Engagement und totaler Verpflichtung auf die rule of law. Als Freunde Leonard Weinglass zu der Entlassung der Fünf aus der Isolationshaft gratulierten, wehrte er ab: „Es gibt viele, viele, denen man gratulieren muss, denn es war die Antwort der Solidaritätsbewegung, die die Fünf aus der Isolationshaft befreit hat.“ Das haben wir auch in Deutschland begriffen. Nur wenn es uns gelingt, diese Solidaritätsbewegung am Leben zu halten, sie mit neuen Initiativen zu stärken und zu erweitern, können wir die fünf Männer aus dieser unwürdigen Gefangenschaft befreien.
heinlich das Blatt nicht mehr wenden können. Aber er war eine große Persönlichkeit von einem unbestechlichen Urteil, ungewöhnlichen Engagement und totaler Verpflichtung auf die rule of law. Als Freunde Leonard Weinglass zu der Entlassung der Fünf aus der Isolationshaft gratulierten, wehrte er ab: „Es gibt viele, viele, denen man gratulieren muss, denn es war die Antwort der Solidaritätsbewegung, die die Fünf aus der Isolationshaft befreit hat.“ Das haben wir auch in Deutschland begriffen. Nur wenn es uns gelingt, diese Solidaritätsbewegung am Leben zu halten, sie mit neuen Initiativen zu stärken und zu erweitern, können wir die fünf Männer aus dieser unwürdigen Gefangenschaft befreien.