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Skandalurteil um angebliche Beleidigung Sarrazins als „Arsch“

Dienstag, 8. März 2011 | Autor: hfe | Diese Seite als PDF herunterladen

Am Donnerstag, 3. März 2011, fand im Amtsgericht Dortmund die öffentliche Gerichtsverhandlung über die Sarrazin-Beleidigungsklage gegen den stellvertretenden Landessprecher der LINKEN in Nordrhein-Westfalen Helmut Manz statt. Manz wird vorgeworfen, “Herrn Dr. Sarrazin” auf einer Demonstration “als Arsch tituliert” zu haben. So jedenfalls wollen es zwei Beamte des Dortmunder Staatsschutzes gehört haben. Sie animierten Sarrazin dazu, Strafantrag wegen Beleidigung zu stellen. Wieso das zum Staatsschutz gehört, entzieht sich jeder Logik, offenbar waren hier ideologisch gut präparierte Beamte am Werk.

Daraufhin wurde Manz auf Antrag der Dortmunder Staatsanwaltschaft ein Strafbefehl von 50 Tagessätzen à 30 Euro zugestellt. Das bedeutet eine Geldstrafe von 1500 Euro oder wahlweise 50 Tage Haft. Manz’ Einspruch gegen diesen Strafbefehl wurde am 3. März verhandelt. Zur Anschuldigung selbst nahm Manz wie folgt Stellung: “Auch wenn mich mittlerweile die BILD-Zeitung in Millionenauflage wegen ‘Bestseller-Autoren-Beleidigung’ vorverurteilt hat, weise ich den Vorwurf, Herrn Dr. Sarrazin als Arsch verharmlost zu haben, entschieden zurück.”

Schließlich beruhe Sarrazins bundesweiter Bekanntheitsgrad nicht zuletzt auf spektakulären “Arschloch”-Beleidigungen anderer vor einem Millionenpublikum. Sarrazin nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er andere diskreditieren will, das ist bekannt. Beschimpfungen mit dem Hinterteil gab es zuhauf, wie beispielsweise

1) Die “Arschloch”-Beschimpfung des Publizisten Michel Friedman am 30.8.2010 (BILD)
2) Die “Arschloch”-Beschimpfung protestierender Studierender im November 2003 (focus)
3) Die “Arschloch”-Beschimpfung von Oskar Lafontaine am 24.10.2007 (N24)
4) Die bei seiner Buchpräsentation am 30.8.2010 postulierten ”Die-Welt-ist-rund-und-du-bist-ein-Arschloch”-Prinzip (SZ).

Manz würde auch gern wissen, „was unter dem “Arschlochfaktor” zu verstehen ist, den Sarrazin im Februar 2008 ”in der Politik, bei Hartz-IV-Empfängern, Managern, in der SPD” festgestellt hat. (N24)

Die Verhandlung war eine Farce und der Richter der Rechtslage offenbar völlig unkundig. Schon zu Beginn der Verhandlung machte der Richter aus seiner Abneigung gegen die Verteidigung keinen Hehl und bezeichnete das Wiedersehen mit Manz’ Anwalt als „Unglück“ – Befangenheit?. Sichtlich genervt verfolgte er Manz’ Ausführungen über Dr. Sarrazins eugenische Vernichtungsfantasien, angesichts derer die Fäkalsprache versagen müsse. Die Bezeichnung „Arsch“ wertete Manz als unangemessene Verharmlosung und betonte: „Ich habe Herrn Sarrazin nicht so verharmlost, sondern korrekt als Faschist bezeichnet.“ Die Anzeige der beiden Staatsschutzbeamten sei entweder eine freie Erfindung oder eine Entstellung des Wortes „Fascho“. Das wurde von den beiden Zeugen vehement bestritten. Sie wollten sich an überhaupt nichts aus Manz’ Rede erinnern können. Nur die grammatikalisch falsche Formulierung „das Arsch“ wollten sie zwei mal eindeutig gehört haben. Der Polizeizeuge Duchatsch scheiterte an Manz’ „Duden – Frage“: Er wusste nicht, dass er wohl besser „der Arsch“ hätte „hören“ sollen. Die komplett inkompetente Hör- und Erinnerungsleistung der beiden Zeugen wurden von Staatsanwalt und Richter als Ausdruck besonderer Professionalität und Glaubwürdigkeit gewertet. Die anderen ca. 60 Zuhörer der Rede wurden als mögliche Entlastungszeugen entwertet, weil sie nicht befragt wurden. Für den Richter, der offenbar Justitias Augenbinde rechts gelüftet hatte, war das bedeutungslos – Polizisten haben immer recht. Als unbedeutend stufte er auch den im Beweisantrag der Verteidigung aufgeführten massenmedialen Gebrauch des Wortes „Arschloch“ durch Sarrazin (s.o.) ein.

Der Richter folgte dem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft und verurteilte Manz wegen Beleidigung. Die Ausstrahlung der durch das Grundgesetz gesicherten Meinungsfreiheit auf das Strafgesetzbuch kannte der Richter offenbar nicht. Das BVerfG urteilt immer wieder, dass an den öffentlichen Meinungsstreit andere Maßstäbe anzulegen sind als an private Äußerungen. Insbesondere wer hart austeilt, muss auch schon mal etwas einstecken können. Die Demokratie sei darauf angewiesen, dass im öffentlichen Meinungsstreit nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden muss. Wo scharfe Formulierungen strafrechtlich verfolgt werden, stirbt die Demokratie. Aber so ein kleiner Amtsrichter muss sich um die Rechtsprechung des BVerfG ja nicht mehr kümmern, wenn er seinen politischen Instikten folgt.

In seinem Schlusswort las Manz einen rassistischen Absatz aus Hitlers „Mein Kampf“ vor. Er hatte den Neonazi Dennis Giemsch angezeigt, weil dieser diesen Absatz auf der faschistischen „Antikriegs“-Kundgebung am 5.9.2009 in Dortmund zitiert hatte. Das Verfahren wurde eingestellt. Der Staatsanwalt konnte „keinen zwingenden Bezug zur nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft“ erkennen. Die gesamte Gerichtsverhandlung kommentiert Manz wie folgt: „Der Fall Giemsch hat mit meinem eine Gemeinsamkeit: Es ergeht Rechts vor Recht. Ich werde mich dennoch nicht auf den „rechten Weg“ begeben, sondern den Rechtsweg beschreiten.”

(Red.; div.)

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Thema: Staat Demokratie BürgerInnenrechte

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