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VDJ-Konferenz 2010: Hans-Joachim Heintze – Neue Herauforderungen = neue Standards für menschenrechtlich begründete Interventionen (Voraussetzungen – Akteure – Instrumente)

Montag, 29. November 2010 | Autor: hfe | Diese Seite als PDF herunterladen

von Dr. Hans-Joachim Heintze

[der nachfolgende Beitrag ist der zweite Vortrag auf der diesjährigen, gemeinsam mit IALANA und EJDM organisierten VDJ-Konferenz zum Thema "Menschenrechte als Interventionsgrund", welche am 23.10.2010 in Berlin anlässlich der Verleihung des Hans-Litten-Preises an die honduranische Richterin Tirza Flores Lanza stattfand. Er befasst sich mit Konzepten "humanitärer Intervention" und deren Grenzen.]

Seit dem Kosovo-Krieg von 1999 hält die intensive Debatte der Völkerrechtler über die humanitäre Intervention an, die durch sehr kontroverse Positionen gekennzeichnet ist (Nachweise bei Tomuschat 2002) und mit der R2P eine neue Dimension bekam (Schorlemer, 2007). Im Mittelpunkt stand dabei das Problem, ob massenhafte und schwere Verletzungen der Menschenrechte in einem Staat andere Staaten oder internationale Organisationen zur Gewaltanwendung unter dem Label der humanitären Intervention zum militärischen Eingreifen in dem menschenrechtsverletzenden Staat berechtigen. Die Frage erhält dadurch Brisanz, als eine solche Intervention im Widerspruch zu der bislang auch durch das moderne Völkerrecht geheiligte Souveränität der Staaten steht (Kicker 2000, 198).  Das politische Konzept der „Responsibility to Protect“ (R2P) aus dem Jahr 2001 versucht einen Ausweg aus diesem Dilemma.

1. Unbestrittene Fortgeltung des Souveränitätsprinzips im modernen Völkerrecht

Zwei grundlegende Normen des modernen Völkerrechts schützen die Souveränität der Staaten. Zum ersten handelt es sich um das Verbot der Androhung und Anwendung von Gewalt in den zwischenstaatlichen Beziehungen, das in Art. 2 Abs. 4 der UN-Charta festgeschrieben ist. (Ipsen 2004, 928). Die NATO-Staaten verstießen 1999 unstrittig gegen dieses Verbot, denn sie begannen am 24. 3. 1999 mit Bombenangriffen auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik Jugoslawien. Dies warf zwangsläufig die vieldiskutierte Frage auf, ob es dafür eine völkerrechtliche Rechtfertigung gab.

Zu berücksichtigen ist zudem eine zweite Norm, die die Souveränität schützen soll: Das Verbot der Einmischung von Staaten in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten (Interventionsverbot). Diese Norm gehört ebenfalls zu den Grundregeln des Völkerrechts, obwohl sie nicht ausdrücklich in der UN-Charta niedergelegt ist (Nolte 2002, 154) Es handelt sich vielmehr um eine Norm des Völkergewohnheitsrechts, die vielfach durch die UN-Generalversammlung bestätigt und sogar weiterentwickelt wurde. Richtungsweisend für die Auslegung des Inhalts dieser Norm wurde die sog. Friendly-Relations-Deklaration von 1970.[1]

Die Geltung des Gewalt- und Einmischungsverbots wurde durch den Internationalen Gerichtshof in eindrucksvoller Weise im Urteil vom 27. 6. 1986 im Fall Nicaragua versus USA unterstrichen. Hierin wird ausgeführt, dass die Gestaltung des politischen, sozialen und wirtschaftlichen Systems ebenso wie die Außenpolitik eines Staates dessen innere Angelegenheit ist. In diese dürfen sich andere Staaten weder politisch noch militärisch direkt oder indirekt einmischen.[2] Selbst schwere Menschenrechtsverletzungen rechtfertigen nicht automatisch die Permeabilität des Gewalt- und Interventionsverbots. Das wird beispielhaft an den Resolutionen des UN-Sicherheitsrates deutlich, die das Einmischungsverbot vielfach ausdrücklich nennen. So bekannte sich der Rat beispielsweise noch kurz vor dem Ende des Zweiten Golfkrieges mit der Resolution 688 (1991) ausdrücklich zur Souveränität und politischen Unabhängigkeit des Irak und unterstrich damit, dass auch die dort begangenen Menschenrechtsverletzungen die Souveränität des Irak nicht aufheben (Endemann 1997, 182). Diesem Ansatz entspricht auch, dass die mit Kuwait verbündeten Staaten keinen Versuch machten, den irakischen Diktator Saddam Hussein zu stürzen. Ferner wurde nach dem Golfkrieg dieselbe undemokratische Regierung in Kuwait wiedereingesetzt, die vorher geherrscht hatte. Die Regierungsform in Kuwait und im Irak wurde somit als innere Angelegenheiten dieser Staaten angesehen. Auch nach der Okkupation Iraks durch die USA und ihrer „Coalition of the Willing“ unterstrich der Sicherheitsrat fortlaufend – beginnend mit der Res. 1483 (2003) die weiterbestehende Souveränität des Irak (Reschke 2009, 114).

Die Tatsache, dass das jugoslawische Regime bis zum Frühjahr 1999 schwere Menschenrechtsverletzungen im Kosovo beging, die Bundesrepublik Jugoslawien beileibe keine Demokratie war und von Präsident Milosevic diktatorisch regiert wurde sowie die Ablehnung des Friedens-Vorschlags von Rambouillet (Mutz 2000, 167) berechtigte die NATO also nicht per se zu dem Angriff vom 24. 3. 1999 (Loquai 2000, 68). Zu fragen ist daher, ob die Intensität der Menschenrechtsverletzungen im Kosovo – anders als die des Irak gegenüber den Kurden 1991 – unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes von der NATO als Rechtfertigungsgrund angeführt werden kann. Die völkerrechtliche Debatte gab darauf verschiedene Antworten.

2. Unbestrittener Aufstieg der Menschenrechte zur Völkerrechtsnorm

Die souveränitätsorientierte Ausformung des Völkerrechts, repräsentiert durch das Gewalt- und Einmischungsverbot, wurde zeitgleich von einer anderen völkerrechtlichen Entwicklung begleitet: dem enormen Bedeutungszuwachs der Menschenrechte. Im Lichte der umfassendenden Kodifizierung dieses Rechtskörpers ist einzuschätzen, dass massenhafte und schwere Menschenrechtsverletzungen heute nicht mehr ausschließlich innere Angelegenheiten von Staaten sind (Tomuschat , Rechtsstaat 2002, 7). Sie verstoßen vielmehr gegen Völkerrecht und rufen völkerrechtliche Verantwortlichkeit des rechtsverletzenden Staates hervor. Diese Verantwortlichkeit ist die Rechtsgrundlage dafür, dass Staaten einseitige Sanktionen gegen den Rechtsverletzer ergreifen. Allerdings birgt die unilaterale Anwendung von Zwang stets die Gefahr des politischen Missbrauchs.

Notwendig ist daher eine Befassung der UNO mit Menschenrechtsverletzungen. Dass die UNO die Kompetenz hierzu hat, ergibt sich aus der UN-Charta, einschlägigen völkerrechtlichen Verträgen und dem erga-omnes-Charakter der Menschenrechte, d. h. Verletzungen der Menschenrechte betreffen die ganze Staatengemeinschaft. Die Art und Weise der Befassung unterliegt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Je schwerer die Menschenrechtsverletzung ist, desto durchgreifender muss die Reaktion der Staatengemeinschaft sein. Die menschenrechtliche Kompetenz der UNO hat in den letzten Jahrzehnten zu einer enormen Relativierung der staatlichen Souveränität geführt, die bis zum Interventionsrecht reicht . Bei einer solchen humanitären Interventionen handelt es sich um das militärische Eingreifen in den Hoheitsbereich eines Staates, um dessen Staatsangehörige vor existentieller Bedrohung, insbesondere massiven Menschenrechtsverletzungen, zu schützen. Dabei ist es unerheblich, ob die Bedrohung vom Staat selbst ausgeht oder durch das Abgleiten eines Staates in die Anarchie entsteht (Greenwood 1993, 93). Einige Autoren meinen, dass bewaffnete Maßnahmen zum Schutz fundamentaler Interessen der Staatengemeinschaft (also auch der Menschenrechte) heute bereits generell zulässig seien (Thürer 2000, 9).

2.1. Unbestrittenes Recht zur humanitären Intervention bei Menschenrechtsverletzungen

Dass der UN-Sicherheitsrat die Kompetenz zur Einleitung einer humanitären Intervention hat, ergibt sich aus seiner Hauptverantwortung für die Aufrechterhaltung des Weltfriedens. Daraus leitet sich ab, dass er sich mit allen Situationen befassen kann, die den Frieden gefährden. Dabei muss es sich nicht ausschließlich um internationale Konflikte handeln (Stein 1999, 111). Auch die Lage innerhalb es Staates, beispielsweise durch massenhafte Menschenrechtsverletzungen hervorgerufen, kann als objektive Bedrohung des Weltfriedens angesehen werden und ein Tätigwerden des Rates begründen (Verdross/Simma 1988, 144). Die Praxis zeigt, dass der Begriff der Friedensbedrohung bei Einigkeit im Sicherheitsrat außerordentlich weit verstanden werden kann (Frowein/Krisch 2002, 721). Dies ist ein wesentlicher Fortschritt gegenüber dem klassischen Völkerrecht, auf dessen Grundlage sich die Staaten weigerten, die nationalsozialistische Judenverfolgung zu Kenntnis zu nehmen, da es sich um eine „innere Angelegenheit“ des Deutschen Reiches handelte. Selbst die Schweiz schickte aus dieser Erwägung heraus geflohene deutsche Juden über die Grenze zurück.

Heute kann jede Situation – betreffe sie einen internationalen Konflikt oder die Lage in einem Staat – durch einen UN-Mitgliedsstaat, den UN-Generalsekretär oder durch den UN-Sicherheitsrat selbst auf die Tagesordnung des Rates gesetzt werden. Jedoch liegt die Entscheidung über die Art und Weise der Befassung mit einem friedensgefährdenden Konflikt allein in der Kompetenz der Mitglieder des Sicherheitsrates. Deren Einschätzung hängt freilich nicht ausschließlich von der Bewertung des tatsächlichen Geschehens ab (Delbrück 1995, 22) Vielmehr stellen insbesondere die Ständigen Mitglieder des Rates in aller Regel – chartawidrig – nationale Interessen über ihre Verantwortung für den Weltfrieden. Anders lässt sich beispielsweise nicht erklären, warum China im Frühjahr 1999 der Verlängerung des Mandats der präventiv in Mazedonien stationierten Blauhelme nicht zustimmte, obwohl diese den Ausbruch von Feindseligkeiten verhindert hatten. China verweigerte die Zustimmung lediglich deshalb, weil Mazedonien Taiwan anerkannt hatte (Eisele 2000, 136). Es ist damit mitverantwortlich für den Ausbruch des Konflikts in Mazedonien im Jahre 2001 (Dreist 2002, 5). Das Beispiel zeigt ebenso wie die hilflose Reaktion der Weltorganisation auf den langjährigen Nahostkonflikts, dass die UNO noch weit von dem Ideal entfernt ist, ein Garant für einen weltweit geltenden Mindeststandard von Recht und Ordnung zu sein.

Bei aller notweniger Kritik an der UNO ist aber auch zu verzeichnen, dass es nach dem Ende des Ost-West-Gegensatzes unter dem Druck der öffentlichen Meinung wenigstens ansatzweise gelungen ist, dass sich die Weltorganisation für bedrohte Menschen mit aller Konsequenz – d.h. auch mit militärischen Mitteln – eingesetzt hat. Dies ist zweifellos ein historischer Durchbruch. Damit wurden Standards gesetzt, die verteidigt werden müssen (Gading 1996, 222). Es darf nicht zugelassen werden, dass der Sicherheitsrat wieder hinter dieses erreichte Niveau der internationalen Menschenrechtssicherung zurückfällt und damit aus dieser menschenrechtlichen Verantwortung entlassen wird. Dass die NATO bei ihrer Entscheidung zur Intervention in Jugoslawien den UN-Sicherheitsrat umging, muss als die eigentliche rechtspolitische Katastrophe dieses Krieges angesehen werden. Es war nämlich keineswegs leicht, den UN-Sicherheitsrat zu veranlassen, bei Menschenrechtsverletzungen einzuschreiten, die keine zwischenstaatliche Dimension hatten.

Dies zeigt ein Blick in die einschlägige Praxis. Eine Schlüsselrolle bei der Hinwendung der UNO zu humanitären Interventionen nimmt die Resolution 688 (1991) zur Notlage der irakischen Zivilbevölkerung  ein, die die Reaktion des UN-Sicherheitsrats auf die Menschenrechtsverletzungen im Irak am Ende des Zweiten Golfkrieges darstellte. Sie wurde vielfach geradezu euphorisch gefeiert und als entscheidender Wendepunkt angesehen.[3] Die Ursache für die überschwängliche Bewertung dieser Resolution ist allerdings weniger auf ihren Inhalt zurückzuführen als auf die Erleichterung darüber, dass der Rat nach langem Zögern endlich tätig wurde, um das sich vor den Augen der Weltöffentlichkeit abspielende Flüchtlingsdrama der Kurden und die Verfolgung der Schiiten zu beenden. Da die Resolution allerdings nicht unter Kapitel VII der Charta angenommen wurde, somit also keine Zwangsmassnahme gegen einen menschenrechtsverletzenden Staat darstellt, handelte es sich auch nicht um eine humanitäre Interventionen im streng juristischen Sinne. Gleichwohl war damit der Weg eröffnet, der den UN-Sicherheitsrat zur Befassung mit massenhaften und schweren Menschenrechtsverletzungen veranlasste. Hinsichtlich Somalias, Bosniens, Haitis, Ruandas, Albaniens und Zaires wurde festgestellt, dass die dort begangenen Rechtsverletzungen eine friedensbedrohende Dimension hatten – obwohl es sich zumeist um Konflikte innerhalb der betroffenen Staaten ohne grenzüberschreitende Auswirkungen handelte – und humanitäre Interventionen der Staatengemeinschaft notwendig machten (Heintze 2001, 63). Die menschenrechtsschützende Praxis des UN-Sicherheitsrat ist zu würdigen, denn damit wurden dem völkerrechtlichen Menschenrechtschutz „Zähne“ gegeben. Die UNO war nicht länger nur ein „bellender Hund“ und bedrohte Menschen auf der ganzen Welt konnten grundsätzlich auf wirksame Hilfe hoffen. Mit dieser positiven Bewertung soll keinesfalls einem „neuen Interventionismus“ (Debiel/Nuschler 1996, 13) das Wort geredet werden. Vielmehr ist darauf zu verweisen, dass der UN-Sicherheitsrat das Recht und die Möglichkeit hat, auf schwere Menschenrechtsverletzungen mit Zwangsmaßnahmen, und zwar sowohl mit nichtmilitärischen als auch mit militärischen, zu reagieren. Allein der Umstand, dass er auch den Willen dazu hatte, dürfte auf potentielle Rechtsverletzer abschreckend wirken. Hier liegt eine deutliche Parallele zur generalpräventiven Wirkung des Strafrechts.

2.2. Interventions-Zögerlichkeit des UN-Sicherheitsrats

Wenn ein Interventionsrecht des UN-Sicherheitsrates konstatiert wird, so stellt sich die Frage, ob es auch eine Pflicht der UNO zur Intervention gibt. Dabei handelt es sich nicht um ein theoretisches Problem. Vielmehr haben sich die Staaten mit der UNO in einem System kollektiver Sicherheit zusammengefunden und sich verpflichtet, gemeinsam gegen Rechtsbrecher aufzutreten (Opitz 2010, 33). Ein Rechtsgut, das dem Schutz dieses Systems unterliegt, sind die Menschenrechte. Folglich muss an sich, z.B. bei einem Völkermord, von einer Interventionspflicht der rechtstreuen Staaten ausgegangen werden (Schabas 2008, 189). Eine solche legalistische Betrachtungsweise scheitert aber an dem Umstand, dass es sich bei beim UN-Sicherheitsrat nicht um ein rechtliches, sondern um ein politisches Organ handelt. Da es keine objektiven Kriterien für das Vorliegen einer Friedensbedrohung – der Voraussetzung für die Anwendung von Zwangsmaßnahmen gegen einen Rechtsbrecher – gibt, bleibt es völlig dem Gutdünken des Rates vorbehalten, welche Situationen er als friedensbedrohend ansieht. Mehr noch, der Rat entscheidet letztlich selbst, mit welchen Situationen er sich wie beschäftigt. Folglich kann er auch in ähnlich gelagerten Fällen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Es liegt auf dieser Linie, dass der UN-Sicherheitsrat hinsichtlich jedes einzelnen Einschreitens bei Menschenrechtsverletzungen unterstrich, es handle sich nicht um einen Präzedenzfall.

Eine Untersuchung der menschenrechtsrelevanten Entscheidungen belegt diese Haltung. Im Falle der Menschenrechtsverletzungen an den Kurden und Schiiten im Irak im Jahre 1991 zog es der Rat vor, überhaupt nicht nach Kapitel VII der UN-Charta tätig zu werden. Folglich findet sich hier auch kein Beleg für eine Interventionspflicht. Letztlich stellte der Rat auch nur außerhalb des Kapitel VII fest, bei den grenzüberschreitenden Fluchtbewegungen aus dem Irak handle sich um eine regionale Friedensbedrohung. Anstatt weitere Maßnahmen anzudrohen, wurde die irakische Regierung lediglich aufgefordert, die Menschenrechte zu achten (Heintze 1991, 43) Demgegenüber hat der Rat das Massensterben und die Verweigerung der humanitären Hilfe innerhalb Somalias unter Kapitel VII zur Friedensbedrohung erklärt und Zwangsmaßnahmen – einschließlich einer militärischen Intervention – ergriffen. Begründet wurde dies mit humanitären Erwägungen. Gleichwohl kann daraus nicht eine generelle Interventionspflicht bei humanitären Katastrophen abgeleitet werden, da der Rat sein Tätigwerden mit dem dringenden Antrag der Regierung  Somalias („urgent calls from Somalia“) begründete und die Resolution 794 (1992) als absolute Ausnahme bezeichnete (Herbst  2000, 242). Bewertet man diese Argumentation des UN-Sicherheitsrates völkerrechtlich, so lag hier an sich keine humanitäre Intervention vor, den schließlich wurde auf Wunsch der somalischen Regierung gehandelt. Es ist bezeichnend für die Zögerlichkeit des Rates, dass er zu dieser Begründung für das militärische Tätigwerden in Somalia griff: schließlich war allgemein bekannt, dass Somalia ein „failed state“ war, in dem es keine effektive Regierung mehr gab.

Interessant im Hinblick auf die Entstehung einer möglichen Interventionspflicht war die Ruanda-Krise. Hier wurde nämlich gerade von afrikanischen Staaten – die zuvor zu den striktesten Interventionsgegnern gehörten – behauptet, die UNO habe eine Verpflichtung, sich um die ruandische Bevölkerung zu sorgen.[4] Dennoch wurde diese Einschätzung nicht in praktische Politik des UN-Sicherheitsrates umgesetzt. Die Mitgliedsstaaten waren nicht bereit, Truppen für eine humanitäre Intervention bereitzustellen. Als Frankreich schließlich Einheiten entsandte, dienten diese nicht vorrangig humanitären Zwecken. Entsprechend kritisch äußerte sich der UN-Generalsekretär:

“The delay in reaction by the international community to the genocide in Rwanda has demonstrated graphically its extreme inadequacy to respond urgently with prompt and decisive action to humanitarian crises entwined with armed conflict. … The international community appears paralysed in reacting almost months later even to the revised mandate established by the Security Council.  We all must recognize that, in this respect, we have failed in our response to the agony of Rwanda, and thus have acquiesced in the continued loss of human lives. Our readiness and capacity for action has been demonstrated to be inadequate at best, and deplorable at worst, owing to the absence of the collective political will.”[5]

Die Beispiele belegen, dass es eine Pflicht zur humanitären Intervention bislang nicht gibt. Gerade die USA wollten sich im Lichte der Erfahrungen in Somalia nicht auf eine abstrakte Interventionspflicht festlegen lassen und stimmten im Falle Ruandas nur militärischen Einsätzen mit klar definierten, begrenzten Zielen zu. Sie standen somit generellen Verpflichtungen ausdrücklich ablehnend gegenüber (International Panel 2001, 157) und damit ist eine wesentliche Voraussetzung der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht – das Vorliegen einer opinio iuris – nicht erfüllt. Daher lässt sich lediglich die Existenz eines Interventionsrechts des Sicherheitsrates bei schweren Menschenrechtsverletzungen konstatieren, nicht aber eine Interventionspflicht. Die von Senghaas angenommene „Art Rechtspflicht“ des Sicherheitsrates zur Intervention, die die Intervention nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten erscheinen lässt (Senghaas  1999, 136) ist weder als herrschende Auffassung der Völkerrechtswissenschaft noch als Staatenpraxis nachweisbar.

3. „Selbstmandatierte“ Intervention der NATO in Jugoslawien

Der Kosovo hat in drastischer Weise die Defizite bei der Durchsetzung des völkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes deutlich gemacht. Es dürfte unstrittig sein, dass die serbische Staatsmacht dort schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen gegenüber der albanischstämmigen Bevölkerung beging. Der genaue Umfang der Menschenrechtsverletzungen und ihre Begleitumstände sind weithin umstritten. So wird von Politikern als Rechtsfertigung für die Intervention angeführt, dort habe ein Völkermordverbrechen stattgefunden. (Deiseroth 2001, 46) Dies ist ebenso zu hinterfragen wie die Rolle, die die UCK gespielt hat. Ihre Aktionen haben zweifellos zu einem „Aufschaukeln“ des Konflikts beigetragen, indem den serbischen Sicherheitskräften erhebliche Verluste beigebracht wurden, was diese wiederum zu Überreaktionen veranlasste. Problematisch war auch die Rolle, die die UNO auf dem Balkan gespielt hat. Deren humanitäre Intervention in Bosnien-Herzegowina erreichte das Ziel nicht, Massaker zu verhindern und den potentiellen Opfern tatsächlich Schutz zu gewähren (Pape 1997, 245). Die Ursache dafür ist vor allem darin zu suchen, dass die Staaten nicht bereit waren, den Forderungen des Generalsekretärs entsprechend, eine hinreichende Zahl von Soldaten zur Verfügung zu stellen. Hinzu kam, dass das Mandat der Truppen nicht klar formuliert war und sich nicht auf die Hilfe für die Opfer des Konflikts beschränkte, sondern einen Beitrag zur Konfliktlösung erbringen sollte. Das Ergebnis war dementsprechend unbefriedigend. Die humanitäre Intervention blieb im Ansatz stecken, was insbesondere durch den Fall der Schutzzonen dokumentiert wurde. Die Mitverantwortung für den Tod von 7.500 Menschen wurde durch den Rücktritt der niederländischen Regierung am 15. 2. 2002 nach der Vorlage eines Untersuchungsberichts zur Rolle der Streitkräfte beim Fall von Srebrenica eingestanden.[6]

Als es im Frühjahr 1998 zu einer bedenklichen Zuspitzung der Lage der albanischstämmigen Zivilbevölkerung im Kosovo kam, beschloss der UN-Sicherheitsrat mit seiner Res. 1160 (1998) – gestützt auf Kapitel VII der Charta – eine Aufforderung an Belgrad, eine politische Lösung des Problems anzustreben. In den folgenden Monaten kam es jedoch zu einer Verschärfung der Auseinandersetzungen, so dass die Forderung nach Militärschlägen gegen Jugoslawien laut wurde. Möglichkeiten der Konfliktprävention wurden vertan (Weller 2002, 238). Der UN-Sicherheitsrat erwies sich allerdings wegen der Haltung Russlands und Chinas als handlungsunfähig. Dies belegt offenkundig die praktischen – nicht die juristischen – Defizite bei der internationalen Durchsetzung von Menschenrechten.

Daraufhin erklärte die NATO, „unter diesen außergewöhnlichen Umständen“ sei „die Drohung mit und gegebenenfalls der Einsatz von Gewalt durch die NATO gerechtfertigt.“[7]

Da nach der Struktur des gegenwärtigen Völkerrechts das „Gewaltmonopol“ beim UN-Sicherheitsrat liegt, kann eine Interventionspflicht anderer Organisationen stets nur im Wege einer völkerrechtlich nicht vorgesehenen Selbstmandatierung erfolgen. Am weitesten schritt die NATO voran, deren Evolution zu einer „neuen NATO“ bereits 1991 mit dem Strategischen Konzept von Rom begann (Bothe/Martenczuk 1999, 125). Die NATO wandte damit ein Denkkonzept an, das das Europäische Parlament schon 1994 proklamiert hatte und das es in einer Entschließung artikulierte: das Recht auf Intervention aus humanitären Gründen.[8] Diese Entschließung nahm seinerzeit bereits vieles vorweg, was dann 2001 Eingang in die R2P gefunden hat.

Die NATO war der erstmalige „Nutzer“ solcher politischer Denkkonzepte. Anwendung fand das Interventionsrecht bei der Durchsetzung der UN-Sanktionsmaßnahmen gegen die Bundesrepublik Jugoslawien und mit den massiven Luftschlägen gegen Stellungen der bosnischen Serben im Jahre 1995, die letztlich den Abschluss des Dayton-Abkommens ermöglichten. Freilich waren die Maßnahmen aufgrund der Sicherheitsratsresolution 816 (1993) gemäß Kapitel VII  ergriffen worden. Sie hatten somit eine zumindest grundsätzliche juristische Grundlage – wenn auch teilweise in einer rechtlichen Grauzone verortet und damit bereits Elemente der Selbstmandatierung aufweisend (Eisermann 2000, 309).

Beim Kosovo-Krieg gab es nicht einmal eine schwache Ermächtigung zur Einleitung militärischer Maßnahmen gegen Belgrad durch den UN-Sicherheitsrat. Vielmehr begann die NATO am 24. März 1999 mit Luftangriffen auf das jugoslawische Territorium ohne jede Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat. Damit ermangelte es eines völkerrechtlichen Rechtfertigungsgrundes. Auch auf das Recht zu kollektiver Selbstverteidigung konnte man sich nicht berufen, da dies nur von außen angegriffenen Staaten zusteht und der Kosovo unstrittig Teil Jugoslawiens ist. Rechtfertigungsgründe aus dem Recht der Staatenverantwortlichkeit wie Nothilfe und Notstandshilfe (Ipsen 1999, 19) ließen sich auch nicht anführen, da sie nur von Staaten geltend gemacht werden können, denen Menschen anvertraut sind, die sie zu schützen haben. Das war bei den Kosovo-Albernern nicht der Fall, da diese nicht dem Schutz der NATO-Staaten unterstanden. Eine Schutzpflicht besteht jedoch nur im Bereich der eigenen Hoheitsgewalt (Kälin 2000, 166). Andere kritische Positionen setzen um Umstand an, dass die NATO-Staaten nicht alle Möglichkeiten genutzt haben, um die UNO umfassend mit dem Kosovo-Problem zu befassen. Insbesondere wurde nicht versucht, die Generalversammlung auf der Grundlage des „Uniting for Peace“-Resolution aus dem Jahre 1950 einzubeziehen. Diese Resolution erlaubt bei der Blockade des Sicherheitsrates die Generalversammlung mit dem Thema zu befassen. Es scheint jedoch offensichtlich, dass die NATO-Staaten diesen Weg nicht beschritten, weil die Staatenmehrheit höchst wahrscheinlich einer humanitären Intervention nicht zugestimmt hätte. In der Literatur wird weiterhin kritisch angemerkt, dass der Umfang der Menschenrechtsverletzungen im Kosovo im Frühjahr 1999 nicht das Niveau eines Völkermordes erreicht habe, so dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeit keine humanitäre Intervention berechtigt gewesen sei. Das erkläre auch, weshalb die Res. 1244 des UN-Sicherheitsrates nicht nachträglich die Intervention für rechtens erklärt habe (Flauss 2002, 87).

4. Völkerrechtliche Konsequenzen des Kosovo-Einsatzes?

Selbst Autoren, die die NATO-Intervention letztlich befürworteten, anerkennen, dass der Einsatz ohne Mandatierung oder Autorisierung durch den UN-Sicherheitsrat „rechtlich als prekär angesehen werden musste.“ Gleichwohl schließen sie daraus nicht auf eine Rechtswidrigkeit der Vorgehensweise. Vielmehr wird aus dem „Nichthandeln“ des Rates die Möglichkeit der Rechtfertigung eines bewaffneten Eingreifens aus notstandsähnlichen Erwägungen abgeleitet. Zugestanden wird aber, dass die Zahl der Verluste unter der Zivilbevölkerung im Kosovo hoch blieb, weshalb die Rechtsfertigung dieses Krieges ohne Mandat des Sicherheitsrats als „äußerst prekär“ angesehen werden müsse. (Frowein 2001, 898). Diese Argumentation bezieht sich freilich nicht vorrangig auf die Frage, ob die Umgehung des Gewaltmonopols des Rates rechtens war. Stattdessen wird auf die Zahl der Opfer abgestellt. Dies ist jedoch in erster Linie ein Problem der Art und Weise der Kriegsführung und sagt nicht über die Legitimität dieses Krieges.

Auch andere Autoren kritisieren die Kriegsführungsmethode. So wirft Stein dem Westen vor, er sei nur bereit gewesen, „ein minimales Risiko einzugehen“ und konnte militärisch mit dem Luftkrieg nur sehr begrenzt etwas erreichen. Damit wird die moralische Legitimation für den Angriff – die NATO habe ja nur uneigennützig den Menschen helfen wollen – grundsätzlich infrage gestellt. Gleichwohl wird aus dem Kosovo-Krieg gefolgert, dass das Gewaltmonopol der Vereinten Nationen „nicht mehr unangefochten gilt.“ (Stein 2002, 21) Statt dessen werden in der Literatur Kriterien genannt, nach denen ein nicht-UN-autorisierter Gewalteinsatz in Zukunft möglich sein sollte. Im Zentrum steht dabei die Forderung: Das Verfahren nach der UN-Charta muss versucht worden sein, d.h. der Sicherheitsrat und die Generalversammlung müssen erfolglos angerufen und mit der Sache befasst worden sein. Es muss sich weiterhin um schwere und systematische Menschenrechtsverletzungen handeln und Maßnahmen der friedlichen Streitbeilegung müssen versucht worden sein. Die Operation ist ferner auf das humanitäre Anliegen zu beschränken und muss dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgen. Schließlich sei nur eine Gruppe von Staaten, nicht aber eine Hegemonialmacht allein, zur Intervention berechtigt (Stein 2002, 32). Diese Kriterien sind bislang allerdings nur in der Literatur erwogen worden. Eingang in eine völkerrechtliche Vereinbarung haben sie noch nicht gefunden.

4.1. Fortbestehende Ungereimtheiten bezüglich Kosovo

Die Bestrebungen, Kriterien für völkerrechtsgemäße humanitäre Interventionen aufzustellen, entspringen vor allem dem moralischen Dilemma, dass rechtstreue Staaten auf schwerste Menschenrechtsverletzungen reagieren müssen und die betroffenen Menschen nicht ihrem Schicksal überlassen können. Gleichwohl stoßen diese Kriterien wiederum sehr schnell an politische und Machbarkeitsgrenzen. Das zeigte sich, als kurz nach der Kosovo-Intervention indonesische Milizen in Ost-Timor ein Blutbad anrichteten, um die Unabhängigkeit dieses Volkes zu verhindern. Hier ließ die humanitäre Intervention auf sich warten, weshalb sich wiederum erneut die Frage stellte, ob der Westen denn nicht auch bei den humanitären Interventionen Doppelstandards – je nach politischer Opportunität – anlegt (Sassoli 2000, 207). Andere massive Menschenrechtsverletzungen finden sich bislang nicht auf der Tagesordnung des UN-Sicherheitsrats, obwohl sie tausende Opfer forderten. Hat die NATO also durch ihre Intervention gegen Belgrad überreagiert, weil sich dies alles „vor der Haustür“ abspielte und neue Flüchtlingsströme nach Westeuropa befürchtet wurden?

Was auch immer die konkreten Beweggründe in Brüssel gewesen sein mögen, es kann nicht übersehen werden, dass die NATO-Maßnahmen auf der Linie lagen, die der UN-Sicherheitsrat mit der Verurteilung Serbiens für seine Politik im Kosovo mit der Resolution 1199 vorgegeben hatte. Hier blieb der Rat allerdings auf halben Wege stehen, indem er die Existenz einer Friedensbedrohung feststellte, aber nichts zu seiner Überwindung tat. Auf die Dauer konnte eine verantwortungsbewusste Staatengemeinschaft nicht lediglich konstatieren, dass es eine Friedensbedrohung gab. Im konkreten Fall trugen Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrates eher noch zur Zuspitzung des Konflikts bei: Die (militärische) Unterstützung der UCK durch NATO-Staaten bzw. deren Duldung einer derartigen Tätigkeit des albanischen Diaspora führte sicher nicht dazu, die konstatierte Friedensbedrohung abzubauen. Gleichwohl stieg damit der Handlungsbedarf, denn die Kämpfe nahmen zu, so dass die Region in eine immer bedrohlichere Lage geriet. Daher verwunderte die sicher auch aus diesen praktischen Erwägungen entspringende breite regionale Unterstützung der NATO-Maßnahmen nicht, die in der Beteiligung von 19 Staaten an der NATO-Intervention zum Ausdruck kam. Letztlich  folgte die Intervention in der letzten Konsequenz dem Pfad, den der UN-Sicherheitsrat mit seiner Resolution 1199 bereits eingeschlagen hatte. Die NATO schritt im März 1999 zu militärischen Maßnahmen mit dem erklärten Ziel, die konstatierte Friedensbedrohung zu überwinden, freilich ohne durch das zuständige Staatengemeinschaftsorgan dazu ermächtigt zu sein.

Unter diesen Umständen wäre zu erwarten gewesen, dass nach dem Ende der Bombardierungen der UN-Sicherheitsrat Stellung zu den Maßnahmen der NATO genommen hätte. Dies erfolgte nicht. Zu vermuten ist, dass die Ursache dafür letztlich in dem Umstand liegt, dass die NATO keinen Sieg über Milosevic errungen hatte. Der Diktator gab letztlich auf, weil Russland ihm jede Unterstützung entzogen hatte. Russland war aber nicht interessiert an einer nachträglichen Rechtfertigung der NATO-Maßnahmen, sondern an einem maßgeblichen Anteil an der KFOR. Folglich enthält die nach dem Waffengang der NATO verabschiedete Sicherheitsratsresolution 1244 (1999), die die Schaffung der UN-Verwaltung für den Kosovo zum Gegenstand hat, keine Aussage zur Rechtmäßigkeit der NATO-Bombardements.

Angesichts der offenen Fragen – auch die Klage Jugoslawiens gegen die NATO-Staaten konnte keine Antwort erbringen, da sie vom IGH verworfen wurde – kann der Kosovo-Krieg  nicht als Präjudiz für die Rechtmäßigkeit humanitärer Interventionen außerhalb des UN-Systems herangezogen werden. Hinzu kommt, dass auch die westlichen Staaten kein allgemeines Recht auf humanitäre Interventionen behaupten und nicht müde werden, den absoluten Ausnahmecharakter des Kosovo-Einsatzes zu unterstreichen (Nolte 1999, 959). Gerade in Deutschland mögen dafür auch verfassungsrechtliche Bedenken Anlass sein (Epping 2000. 615).

4.2. Moralisches Dilemma besteht fort

Zweifellos hat die NATO-Intervention zahlreiche völkerrechtliche Probleme aufgeworfen und der Jurist wünscht sich natürlich die Klärung durch eine völkerrechtliche Kodifizierung (Henke 2009, 15). Aber diese ist angesichts der politischen Gemengelage nicht zu erwarten. Deshalb ist es zu begrüßen, dass zumindest auf der im Bereich der Aktivitäten der UNO Fakten geschaffen wurden. So fragte der UN- Generalsekretär auf dem Millenniums-Gipfels der Vereinten Nationen, wie auf Menschenrechtsverletzungen vom Schlage des Völkermords in Ruanda und des Massakers in Srebenica zu antworten sei, wenn humanitäre Interventionen aus Rücksicht auf die staatliche Souveränität nicht zulässig seien. Eine Antwort versuchte die „Internationale Kommission zur Intervention und Staatensouveränität“ zu geben, deren umfangreicher Bericht 2001 vom kanadischen Außenministerium vorgelegt wurde (Williams 2002, 10). Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass sich eine Theorie und Praxis der humanitären Interventionen herauszubilden beginne, deren rechtliche Grundlage letztlich eine Verpflichtung sei, bedrängten Menschen Schutz zu gewähren. Dieser Gedanke der Schutzgewährung liege dem individualschützenden Völkerrecht zugrunde. So verpflichtet das humanitäre Völkerrecht die am bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien, Nichtkombattanten zu schützen. Das Flüchtlingsrecht ermächtigt den UNHCR, für den Schutz der Flüchtlinge einzutreten. Die Idee der Schutzverpflichtung ist somit nicht neu. Offen bleibt allerdings die Frage, wie der Schutz durchgesetzt werden kann und ob er gar zu erzwingen ist. Darauf gibt das Völkerrecht bislang keine Antwort. Es bleibt folglich lediglich der Weg über den UN-Sicherheitsrat und über die Feststellung einer Friedensbedrohung. Nur dann ist eine humanitäre Intervention gerechtfertigt. Auch der Kosovo-Krieg hat bislang nicht zur Entstehung neuer Völkerrechtsnormen geführt.

Zu bedenken ist weiterhin, dass die humanitäre Intervention nicht dazu in der Lage ist, den Konflikt tatsächlich langfristig zu lösen. Die humanitäre Intervention hat nämlich nur eine „trügerische Faszination“ (Hilpold 1999, 157). Kosovo und Osttimor zeigen, dass der Wiederaufbau einer friedlichen Post-Konflikt-Gesellschaft außerordentlich aufwendig ist und eine Kraftanstrengung der gesamten Staatengemeinschaft erfordert (Bothe/Marauhn 2000, 156). Schlussendlich landen die Probleme krisengeschüttelter und von Konflikten betroffener Gesellschaften dann doch wieder bei den Vereinten Nationen. Deshalb muss diese Organisation auch bei der Entscheidung zu einer humanitären Intervention das Sagen haben. Aber die Geschichte lehrt auch, dass die humanitäre Intervention nur im Notfall zur Anwendung kommen kann. Das Schwergewicht muss bei der Prävention von Konflikten liegen.

5. Das Konzept der R2P

Die Empfehlungen der International Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS) wurden im Jahr 2001 veröffentlicht. Sie betrachten die staatliche Souveränität in einem anderen Licht, denn sie wird als Instrument zum Schutz der Bevölkerung verstanden.  Staaten, die schwerste Menschenrechtsverletzungen dulden oder begehen, können sich nicht auf den Schutzschild Souveränität berufen. verstecken. Solche Verbrechen werden in einen internationalen Zusammenhang gestellt. Dann nämlich, wenn ein Staat nicht willens oder in der Lage ist, seine Bevölkerung vor Genozid, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen, geht die Verpflichtung zum Schutz auf die anderen Mitglieder der internationalen Gemeinschaft über. Mit dem Übergang dieser Verantwortung zum Schutz an die anderen Mitglieder der internationalen Gemeinschaft – und damit zumindest einer teilweisen und temporären Einschränkung der Souveränität des betroffenen Staates – soll der Staat dazu gebracht werden, sich wieder völkerrechtskonform zu verhalten. Macht sich ein Staat schwerer Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, so hat die internationale Gemeinschaft nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, zu intervenieren.

Die R2P umgeht ausdrücklich nicht den kontroversen Begriff der humanitären Intervention, revolutioniert aber dennoch die Interpretation der völkerrechtlichen Pflichtenlage, denn sie gibt den Menschenrechten im Konflikt Vorrang vor dem Rechtsgut der staatlichen Souveränität. Doch diese Herangehensweise ist in erster Linie ein rechtstheoretisches Problem.

Von praktischer Bedeutung ist demgegenüber, dass sich die R2P nicht lediglich auf die (möglicherweise militärische) Reaktion auf Menschenrechtsverletzungen beschränkt. Vielmehr umfasst das Konzept auch die Bereiche der Prävention („Responsibility to Prevent“), der Reaktion („Responsibility to React“) und des Wiederaufbaus („Responsibility to Rebuild“). Die Schutzverantwortung wird damit als Prozess verstanden, der die militärische

Intervention dann vorsieht, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft wurden.

5.1. Eingang der R2P in UN-Dokumente

Das Konzept der Expertengruppe fand schließlich Eingang in die UN-Dokumente. Erstamals 2004 in den Bericht des Secretary General’s High-level Panel on Threats, Challenges

and Change als auch in das Dokument „In Larger Freedom“. Beide Berichte sind  Schlüsseldokumente des UN-Reformprozesses und empfehlen den Regierungen, die R2P zu unterstützen. Schließlich fand die R2P im Jahre 2005 Aufnahme in den Abschlussbericht des UN-Weltgipfels im September 2005. Ausdrücklich wird darin festgestellt, dass zwar die Regierungen für den Schutz ihrer Bevölkerungen verantwortlich sind. Falls sie aber nicht willens oder nicht in der Lage sind, ihrer Verantwortung nachzukommen, geht diese Verantwortung auf die internationale Gemeinschaft über. Sie soll mit friedlichen Mitteln die Bevölkerung schützen. Die internationale Gemeinschaft soll durch den Sicherheitsrat handeln (Schaller APuZ 2008, 9). Damit machte sich die UN wesentliche Komponenten der R2P zu eigen, übernahm das Konzept aber nicht völlig. Insbesondere fand die “Responsibility to Rebuild” keine Erwähnung. Auch die vorgeschlagenen Kriterien für eine militärische Intervention wurden nicht übernommen.

Auch in Sicherheitsratsresolutionen finden sich Bezüge auf das Konzept, so in der Resolution „Protection of civilians in armed conflict“[9] und den Resolutionen zur Entsendung von UN-Friedenstruppen nach Darfur.[10]

5.2. Darf oder muss Gewalt angewendet werden?

Die R2P zielt darauf ab,  Menschenrechtsverletzungen zu vermeiden. Sollte dies nicht möglich sein, so sind durch die internationale Gemeinschaft durch nichtmilitärische Zwangsmaßnahmen gegen den Verursacherstaat der Rechtsverletzungen zu ergreifen. Ist diese erfolglos, so ist als ultima ratio auch eine militärische Intervention zum Schutz der Bevölkerung vorgesehen. Als erstes Kriterium für die Anwendung von Waffengewalt nennt die R2P daher, dass die Gewalt das letzte Mittel (last resort) der Einwirkung auf den Rechtsverletzer ist. Als zweites Kriterium wird der gerechte Grund für die Intervention genannt (just cause). Voraussetzung ist demnach eine akute Bedrohung des Lebens einer großen Anzahl von Menschen oder eine ethnische Säuberung und die Unwilligkeit oder Unfähigkeit des Staates, dagegen vorzugehen. Das dritte Kriterium ist die aufrichtige Absicht der intervenierenden Staaten (right intention). Das ausschließlich Ziel muss die Überwindung der Leiden der Menschen sein. Die Herbeiführung des Sturzes einer Regierung ist grundsätzlich kein legitimes Ziel der R2P. Um die aufrichte Absicht der militärischen Intervention deutlich zu machen, ist ein multilaterales Vorgehen anzustreben.

Das vierte Kriterium ist die Verhältnismäßigkeit (proportional means) des Vorgehens anzuführen. Demnach darf der Umfang, die Dauer und Intensität des Eingriffs nicht über das Ziel des Schutzes der Zivilbevölkerung hinausgehen. Das fünfte Kriterium umfasst die Forderung nach vernünftigen Erfolgsaussichten (reasonable prospects) der militärischen Intervention. Demnach ist von solchen Maßnahmen abzusehen, wenn zu erwarten ist, dass sich die Lage der Bevölkerung nach der Intervention verschlechtert.

Die Kriterien klingen vernünftig und sind nachvollziehbar. Allerdings werfen sie die Frage auf, wer und wie die Nachweise für die infrage stehenden Verbrechen, die den Einsatz militärischer Gewalt legitimieren würden, erbracht werden können. Aber selbst wenn es eindeutige Beweise gäbe, so ist die Entscheidung über einen Einsatz immer noch abhängig vom politischen Willen. Das machte der Irak-Krieg der USA 2003 offenkundig. Hier gab es hinreichende Erkenntnisse darüber, dass der Irak 2003 nicht mehr über Massenvernichtungswaffen verfügte, was durch die satellitengestützte und Luftaufklärung wir durch die Vor-Ort-Kontrollen unter der Leitung von Blix bestätigt wurde. Dennoch setzten sich die USA und Großbritannien über die Beweise hinweg und arbeiteten mit Lügen (Ehrenberg 2010, 147). Letztlich ist somit die politische Instanz, die die Entscheidung über den Einsatz trifft, gefragt. Sie wird in der R2P adressiert, indem das Kriterium der „right authority“ angeprochen wird. Entsprechend dem völkerrechtlichen Gewaltmonopol beim  UN-Sicherheitsrat muss jeder Einsatz militärischer Gewalt durch den Sicherheitsrat legitimiert werden. Freilich zeigt sich in der Praxis, dass der Sicherheitsrat entgegen seinem Mandat oftmals politisch blockiert ist. Das hat in der Vergangenheit im Falle Koreas 1950 dazu geführt, dass sich auf der Grundlage der Resolution  „Uniting for Peace“ die UN-Generalversammlung mit dem Problem beschäftige und  Empfehlungen aussprach. Freilich sind derartige Resolutionen nicht verbindlich und ermächtigen nicht zur Anwendung von Gewalt. Denkbar wäre auch ein Tätigwerden der  Regionalorganisationen nach Kapitel VIII der UN-Charta, die allerdings nachträglich  die Zustimmung des Sicherheitsrats anfordern müssten. So gingen der UN-mandatierten humanitären Intervention 1994 in Haiti zahlreiche Debatten und Beschlüsse der OAS voraus.

Freilich gefährdet die durch die R2P angestrebte Legalisierung der Gewaltanwendung zugunsten des Menschenrechtsschutzes das strikte völkerrechtliche Gewaltverbot, so dass vielfach befürchtet wird, dieses Instrument könne für politische zwecke missbraucht werden. Insbesondere Entwicklungsländer befürchten dies, während China und Russland am Souveränitätsdogma festhalten. Notwendig ist angesichts dieser divergierenden Auffassung ein weitere Diskussion dieses Konzepts um zu verhindern, dass die Völkerrechtsordnung immer weiter in unterschiedliche Rechtskreise zerfällt. Das Beispiel des Kosovo, wo auch zwei Jahre nach der einseitigen Unabhängigkeitserklärung immer noch kein Konsens über den Status herbeigeführt wurde, ist symbolisch für die Zerbröselung der Völkerrechtsordnung durch die Unfähigkeit der Großmächte zur Akzeptanz eines Kompromisses. Das Menschenrechtsthema, die Abwendung von völkerrechtlichen Verbrechen an unschuldigen Menschen, ist zu wichtig, als dass man es politischen Ränkespielen überlassen könnte. Daher ist es sehr zu begrüßen, dass die R2P immer deutlichere – auch völkerrechtliche Gestalt annimmt, obwohl es sich nach wie vor um ein politisches Konzept handelt (Schaller SWP 2008, 2). Zu dieser Fortentwicklung kommt es vor allem durch den Umstand,  dass der UN-Generalsekretär regelmäßige Berichte über die „Umsetzung der Schutzverantwortung“ vorlegt. Damit ergeht es den Ergebnissen des Millenniumsgipfels anders als sonstigen Resolutionen der UN-Generalversammlung, die oftmals direkt ins Grab der ungelesenen Dokumente wandern. Der jüngste Bericht[11] ist aufschlussreich und zeigt, dass das Konzept weiterhin große internationale Aufmerksamkeit genießt.

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[1] UN-Doc. A/2625 [XXV].

[2] Case concerning Military an Paramilitary Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, S. 14

[3] So erklärte am 17. April 1991 Außenminister Genscher vor dem Deutschen Bundestag: „Die Resolution 688 hat historische Bedeutung. Sie hat erstmals in der Geschichte der Vereinten Nationen in dieser Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass die Missachtung der Menschenrechte den internationalen Frieden und die Sicherheit bedroht. Sie kann nicht mehr nur als innere Angelegenheit eines Staates behandelt werden. Das ist eine wichtige Fortentwicklung des Völkerrechts. Künftig kann sich keine Regierung, die Völ­kerrecht und Menschenrechte mit Füßen tritt, die die Bürger ihres Landes unterdrückt und zur Flucht zwingt, darauf berufen, dass solche Vorgänge eine innere Angelegenheit sind, die der Mitsprache der Völkergemeinschaft und der Vereinten Nationen entzogen sind.“ Abgedruckt in: Europa-Archiv 1991, D 238.

[4] So Nigeria in UN-Doc. S/PV.3368, S. 3

[5] UN-Doc. S/1994/640, para. 43

[6] Die Welt vom 16. 2. 2002

[7] In: Internationale Politik, Nr. 5/1999, S. 91 f.

[8] Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Dok. C128 vom 9.5.1994

[9] UN-Doc. S/1674 (2006).

[10] UN-Doc. S/1706 (2006) S/1755 (2007).

[11] UN-Doc. A/63/677.

Dr. Hans-Joachim Heintze

Neue Herauforderungen = neue Standards für menschenrechtlich begründete

Interventionen (Voraussetzungen – Akteure – Instrumente)

Seit dem Kosovo-Krieg von 1999 hält die intensive Debatte der Völkerrechtler über die humanitäre Intervention an, die durch sehr kontroverse Positionen gekennzeichnet ist (Nachweise bei Tomuschat 2002) und mit der R2P eine neue Dimension bekam (Schorlemer, 2007). Im Mittelpunkt stand dabei das Problem, ob massenhafte und schwere Verletzungen der Menschenrechte in einem Staat andere Staaten oder internationale Organisationen zur Gewaltanwendung unter dem Label der humanitären Intervention zum militärischen Eingreifen in dem menschenrechtsverletzenden Staat berechtigen. Die Frage erhält dadurch Brisanz, als eine solche Intervention im Widerspruch zu der bislang auch durch das moderne Völkerrecht geheiligte Souveränität der Staaten steht (Kicker 2000, 198). Das politische Konzept der „Responsibility to Protect“ (R2P) aus dem Jahr 2001 versucht einen Ausweg aus diesem Dilemma.

1. Unbestrittene Fortgeltung des Souveränitätsprinzips im modernen Völkerrecht

Zwei grundlegende Normen des modernen Völkerrechts schützen die Souveränität der Staaten. Zum ersten handelt es sich um das Verbot der Androhung und Anwendung von Gewalt in den zwischenstaatlichen Beziehungen, das in Art. 2 Abs. 4 der UN-Charta festgeschrieben ist. (Ipsen 2004, 928). Die NATO-Staaten verstießen 1999 unstrittig gegen dieses Verbot, denn sie begannen am 24. 3. 1999 mit Bombenangriffen auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik Jugoslawien. Dies warf zwangsläufig die vieldiskutierte Frage auf, ob es dafür eine völkerrechtliche Rechtfertigung gab.

Zu berücksichtigen ist zudem eine zweite Norm, die die Souveränität schützen soll: Das Verbot der Einmischung von Staaten in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten (Interventionsverbot). Diese Norm gehört ebenfalls zu den Grundregeln des Völkerrechts, obwohl sie nicht ausdrücklich in der UN-Charta niedergelegt ist (Nolte 2002, 154) Es handelt sich vielmehr um eine Norm des Völkergewohnheitsrechts, die vielfach durch die UN-Generalversammlung bestätigt und sogar weiterentwickelt wurde. Richtungsweisend für die Auslegung des Inhalts dieser Norm wurde die sog. Friendly-Relations-Deklaration von 1970.[1]

Die Geltung des Gewalt- und Einmischungsverbots wurde durch den Internationalen Gerichtshof in eindrucksvoller Weise im Urteil vom 27. 6. 1986 im Fall Nicaragua versus USA unterstrichen. Hierin wird ausgeführt, dass die Gestaltung des politischen, sozialen und wirtschaftlichen Systems ebenso wie die Außenpolitik eines Staates dessen innere Angelegenheit ist. In diese dürfen sich andere Staaten weder politisch noch militärisch direkt oder indirekt einmischen.[2] Selbst schwere Menschenrechtsverletzungen rechtfertigen nicht automatisch die Permeabilität des Gewalt- und Interventionsverbots. Das wird beispielhaft an den Resolutionen des UN-Sicherheitsrates deutlich, die das Einmischungsverbot vielfach ausdrücklich nennen. So bekannte sich der Rat beispielsweise noch kurz vor dem Ende des Zweiten Golfkrieges mit der Resolution 688 (1991) ausdrücklich zur Souveränität und politischen Unabhängigkeit des Irak und unterstrich damit, dass auch die dort begangenen Menschenrechtsverletzungen die Souveränität des Irak nicht aufheben (Endemann 1997, 182). Diesem Ansatz entspricht auch, dass die mit Kuwait verbündeten Staaten keinen Versuch machten, den irakischen Diktator Saddam Hussein zu stürzen. Ferner wurde nach dem Golfkrieg dieselbe undemokratische Regierung in Kuwait wiedereingesetzt, die vorher geherrscht hatte. Die Regierungsform in Kuwait und im Irak wurde somit als innere Angelegenheiten dieser Staaten angesehen. Auch nach der Okkupation Iraks durch die USA und ihrer „Coalition of the Willing“ unterstrich der Sicherheitsrat fortlaufend – beginnend mit der Res. 1483 (2003) die weiterbestehende Souveränität des Irak (Reschke 2009, 114).

Die Tatsache, dass das jugoslawische Regime bis zum Frühjahr 1999 schwere Menschenrechtsverletzungen im Kosovo beging, die Bundesrepublik Jugoslawien beileibe keine Demokratie war und von Präsident Milosevic diktatorisch regiert wurde sowie die Ablehnung des Friedens-Vorschlags von Rambouillet (Mutz 2000, 167) berechtigte die NATO also nicht per se zu dem Angriff vom 24. 3. 1999 (Loquai 2000, 68). Zu fragen ist daher, ob die Intensität der Menschenrechtsverletzungen im Kosovo – anders als die des Irak gegenüber den Kurden 1991 – unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes von der NATO als Rechtfertigungsgrund angeführt werden kann. Die völkerrechtliche Debatte gab darauf verschiedene Antworten.

2. Unbestrittener Aufstieg der Menschenrechte zur Völkerrechtsnorm

Die souveränitätsorientierte Ausformung des Völkerrechts, repräsentiert durch das Gewalt- und Einmischungsverbot, wurde zeitgleich von einer anderen völkerrechtlichen Entwicklung begleitet: dem enormen Bedeutungszuwachs der Menschenrechte. Im Lichte der umfassendenden Kodifizierung dieses Rechtskörpers ist einzuschätzen, dass massenhafte und schwere Menschenrechtsverletzungen heute nicht mehr ausschließlich innere Angelegenheiten von Staaten sind (Tomuschat , Rechtsstaat 2002, 7). Sie verstoßen vielmehr gegen Völkerrecht und rufen völkerrechtliche Verantwortlichkeit des rechtsverletzenden Staates hervor. Diese Verantwortlichkeit ist die Rechtsgrundlage dafür, dass Staaten einseitige Sanktionen gegen den Rechtsverletzer ergreifen. Allerdings birgt die unilaterale Anwendung von Zwang stets die Gefahr des politischen Missbrauchs.

Notwendig ist daher eine Befassung der UNO mit Menschenrechtsverletzungen. Dass die UNO die Kompetenz hierzu hat, ergibt sich aus der UN-Charta, einschlägigen völkerrechtlichen Verträgen und dem erga-omnes-Charakter der Menschenrechte, d. h. Verletzungen der Menschenrechte betreffen die ganze Staatengemeinschaft. Die Art und Weise der Befassung unterliegt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Je schwerer die Menschenrechtsverletzung ist, desto durchgreifender muss die Reaktion der Staatengemeinschaft sein. Die menschenrechtliche Kompetenz der UNO hat in den letzten Jahrzehnten zu einer enormen Relativierung der staatlichen Souveränität geführt, die bis zum Interventionsrecht reicht . Bei einer solchen humanitären Interventionen handelt es sich um das militärische Eingreifen in den Hoheitsbereich eines Staates, um dessen Staatsangehörige vor existentieller Bedrohung, insbesondere massiven Menschenrechtsverletzungen, zu schützen. Dabei ist es unerheblich, ob die Bedrohung vom Staat selbst ausgeht oder durch das Abgleiten eines Staates in die Anarchie entsteht (Greenwood 1993, 93). Einige Autoren meinen, dass bewaffnete Maßnahmen zum Schutz fundamentaler Interessen der Staatengemeinschaft (also auch der Menschenrechte) heute bereits generell zulässig seien (Thürer 2000, 9).

2.1. Unbestrittenes Recht zur humanitären Intervention bei Menschenrechtsverletzungen

Dass der UN-Sicherheitsrat die Kompetenz zur Einleitung einer humanitären Intervention hat, ergibt sich aus seiner Hauptverantwortung für die Aufrechterhaltung des Weltfriedens. Daraus leitet sich ab, dass er sich mit allen Situationen befassen kann, die den Frieden gefährden. Dabei muss es sich nicht ausschließlich um internationale Konflikte handeln (Stein 1999, 111). Auch die Lage innerhalb es Staates, beispielsweise durch massenhafte Menschenrechtsverletzungen hervorgerufen, kann als objektive Bedrohung des Weltfriedens angesehen werden und ein Tätigwerden des Rates begründen (Verdross/Simma 1988, 144). Die Praxis zeigt, dass der Begriff der Friedensbedrohung bei Einigkeit im Sicherheitsrat außerordentlich weit verstanden werden kann (Frowein/Krisch 2002, 721). Dies ist ein wesentlicher Fortschritt gegenüber dem klassischen Völkerrecht, auf dessen Grundlage sich die Staaten weigerten, die nationalsozialistische Judenverfolgung zu Kenntnis zu nehmen, da es sich um eine „innere Angelegenheit“ des Deutschen Reiches handelte. Selbst die Schweiz schickte aus dieser Erwägung heraus geflohene deutsche Juden über die Grenze zurück.

Heute kann jede Situation – betreffe sie einen internationalen Konflikt oder die Lage in einem Staat – durch einen UN-Mitgliedsstaat, den UN-Generalsekretär oder durch den UN-Sicherheitsrat selbst auf die Tagesordnung des Rates gesetzt werden. Jedoch liegt die Entscheidung über die Art und Weise der Befassung mit einem friedensgefährdenden Konflikt allein in der Kompetenz der Mitglieder des Sicherheitsrates. Deren Einschätzung hängt freilich nicht ausschließlich von der Bewertung des tatsächlichen Geschehens ab (Delbrück 1995, 22) Vielmehr stellen insbesondere die Ständigen Mitglieder des Rates in aller Regel – chartawidrig – nationale Interessen über ihre Verantwortung für den Weltfrieden. Anders lässt sich beispielsweise nicht erklären, warum China im Frühjahr 1999 der Verlängerung des Mandats der präventiv in Mazedonien stationierten Blauhelme nicht zustimmte, obwohl diese den Ausbruch von Feindseligkeiten verhindert hatten. China verweigerte die Zustimmung lediglich deshalb, weil Mazedonien Taiwan anerkannt hatte (Eisele 2000, 136). Es ist damit mitverantwortlich für den Ausbruch des Konflikts in Mazedonien im Jahre 2001 (Dreist 2002, 5). Das Beispiel zeigt ebenso wie die hilflose Reaktion der Weltorganisation auf den langjährigen Nahostkonflikts, dass die UNO noch weit von dem Ideal entfernt ist, ein Garant für einen weltweit geltenden Mindeststandard von Recht und Ordnung zu sein.

Bei aller notweniger Kritik an der UNO ist aber auch zu verzeichnen, dass es nach dem Ende des Ost-West-Gegensatzes unter dem Druck der öffentlichen Meinung wenigstens ansatzweise gelungen ist, dass sich die Weltorganisation für bedrohte Menschen mit aller Konsequenz – d.h. auch mit militärischen Mitteln – eingesetzt hat. Dies ist zweifellos ein historischer Durchbruch. Damit wurden Standards gesetzt, die verteidigt werden müssen (Gading 1996, 222). Es darf nicht zugelassen werden, dass der Sicherheitsrat wieder hinter dieses erreichte Niveau der internationalen Menschenrechtssicherung zurückfällt und damit aus dieser menschenrechtlichen Verantwortung entlassen wird. Dass die NATO bei ihrer Entscheidung zur Intervention in Jugoslawien den UN-Sicherheitsrat umging, muss als die eigentliche rechtspolitische Katastrophe dieses Krieges angesehen werden. Es war nämlich keineswegs leicht, den UN-Sicherheitsrat zu veranlassen, bei Menschenrechtsverletzungen einzuschreiten, die keine zwischenstaatliche Dimension hatten.

Dies zeigt ein Blick in die einschlägige Praxis. Eine Schlüsselrolle bei der Hinwendung der UNO zu humanitären Interventionen nimmt die Resolution 688 (1991) zur Notlage der irakischen Zivilbevölkerung ein, die die Reaktion des UN-Sicherheitsrats auf die Menschenrechtsverletzungen im Irak am Ende des Zweiten Golfkrieges darstellte. Sie wurde vielfach geradezu euphorisch gefeiert und als entscheidender Wendepunkt angesehen.[3] Die Ursache für die überschwängliche Bewertung dieser Resolution ist allerdings weniger auf ihren Inhalt zurückzuführen als auf die Erleichterung darüber, dass der Rat nach langem Zögern endlich tätig wurde, um das sich vor den Augen der Weltöffentlichkeit abspielende Flüchtlingsdrama der Kurden und die Verfolgung der Schiiten zu beenden. Da die Resolution allerdings nicht unter Kapitel VII der Charta angenommen wurde, somit also keine Zwangsmassnahme gegen einen menschenrechtsverletzenden Staat darstellt, handelte es sich auch nicht um eine humanitäre Interventionen im streng juristischen Sinne. Gleichwohl war damit der Weg eröffnet, der den UN-Sicherheitsrat zur Befassung mit massenhaften und schweren Menschenrechtsverletzungen veranlasste. Hinsichtlich Somalias, Bosniens, Haitis, Ruandas, Albaniens und Zaires wurde festgestellt, dass die dort begangenen Rechtsverletzungen eine friedensbedrohende Dimension hatten – obwohl es sich zumeist um Konflikte innerhalb der betroffenen Staaten ohne grenzüberschreitende Auswirkungen handelte – und humanitäre Interventionen der Staatengemeinschaft notwendig machten (Heintze 2001, 63). Die menschenrechtsschützende Praxis des UN-Sicherheitsrat ist zu würdigen, denn damit wurden dem völkerrechtlichen Menschenrechtschutz „Zähne“ gegeben. Die UNO war nicht länger nur ein „bellender Hund“ und bedrohte Menschen auf der ganzen Welt konnten grundsätzlich auf wirksame Hilfe hoffen. Mit dieser positiven Bewertung soll keinesfalls einem „neuen Interventionismus“ (Debiel/Nuschler 1996, 13) das Wort geredet werden. Vielmehr ist darauf zu verweisen, dass der UN-Sicherheitsrat das Recht und die Möglichkeit hat, auf schwere Menschenrechtsverletzungen mit Zwangsmaßnahmen, und zwar sowohl mit nichtmilitärischen als auch mit militärischen, zu reagieren. Allein der Umstand, dass er auch den Willen dazu hatte, dürfte auf potentielle Rechtsverletzer abschreckend wirken. Hier liegt eine deutliche Parallele zur generalpräventiven Wirkung des Strafrechts.

2.2. Interventions-Zögerlichkeit des UN-Sicherheitsrats

Wenn ein Interventionsrecht des UN-Sicherheitsrates konstatiert wird, so stellt sich die Frage, ob es auch eine Pflicht der UNO zur Intervention gibt. Dabei handelt es sich nicht um ein theoretisches Problem. Vielmehr haben sich die Staaten mit der UNO in einem System kollektiver Sicherheit zusammengefunden und sich verpflichtet, gemeinsam gegen Rechtsbrecher aufzutreten (Opitz 2010, 33). Ein Rechtsgut, das dem Schutz dieses Systems unterliegt, sind die Menschenrechte. Folglich muss an sich, z.B. bei einem Völkermord, von einer Interventionspflicht der rechtstreuen Staaten ausgegangen werden (Schabas 2008, 189). Eine solche legalistische Betrachtungsweise scheitert aber an dem Umstand, dass es sich bei beim UN-Sicherheitsrat nicht um ein rechtliches, sondern um ein politisches Organ handelt. Da es keine objektiven Kriterien für das Vorliegen einer Friedensbedrohung – der Voraussetzung für die Anwendung von Zwangsmaßnahmen gegen einen Rechtsbrecher – gibt, bleibt es völlig dem Gutdünken des Rates vorbehalten, welche Situationen er als friedensbedrohend ansieht. Mehr noch, der Rat entscheidet letztlich selbst, mit welchen Situationen er sich wie beschäftigt. Folglich kann er auch in ähnlich gelagerten Fällen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Es liegt auf dieser Linie, dass der UN-Sicherheitsrat hinsichtlich jedes einzelnen Einschreitens bei Menschenrechtsverletzungen unterstrich, es handle sich nicht um einen Präzedenzfall.

Eine Untersuchung der menschenrechtsrelevanten Entscheidungen belegt diese Haltung. Im Falle der Menschenrechtsverletzungen an den Kurden und Schiiten im Irak im Jahre 1991 zog es der Rat vor, überhaupt nicht nach Kapitel VII der UN-Charta tätig zu werden. Folglich findet sich hier auch kein Beleg für eine Interventionspflicht. Letztlich stellte der Rat auch nur außerhalb des Kapitel VII fest, bei den grenzüberschreitenden Fluchtbewegungen aus dem Irak handle sich um eine regionale Friedensbedrohung. Anstatt weitere Maßnahmen anzudrohen, wurde die irakische Regierung lediglich aufgefordert, die Menschenrechte zu achten (Heintze 1991, 43) Demgegenüber hat der Rat das Massensterben und die Verweigerung der humanitären Hilfe innerhalb Somalias unter Kapitel VII zur Friedensbedrohung erklärt und Zwangsmaßnahmen – einschließlich einer militärischen Intervention – ergriffen. Begründet wurde dies mit humanitären Erwägungen. Gleichwohl kann daraus nicht eine generelle Interventionspflicht bei humanitären Katastrophen abgeleitet werden, da der Rat sein Tätigwerden mit dem dringenden Antrag der Regierung Somalias („urgent calls from Somalia“) begründete und die Resolution 794 (1992) als absolute Ausnahme bezeichnete (Herbst 2000, 242). Bewertet man diese Argumentation des UN-Sicherheitsrates völkerrechtlich, so lag hier an sich keine humanitäre Intervention vor, den schließlich wurde auf Wunsch der somalischen Regierung gehandelt. Es ist bezeichnend für die Zögerlichkeit des Rates, dass er zu dieser Begründung für das militärische Tätigwerden in Somalia griff: schließlich war allgemein bekannt, dass Somalia ein „failed state“ war, in dem es keine effektive Regierung mehr gab.

Interessant im Hinblick auf die Entstehung einer möglichen Interventionspflicht war die Ruanda-Krise. Hier wurde nämlich gerade von afrikanischen Staaten – die zuvor zu den striktesten Interventionsgegnern gehörten – behauptet, die UNO habe eine Verpflichtung, sich um die ruandische Bevölkerung zu sorgen.[4] Dennoch wurde diese Einschätzung nicht in praktische Politik des UN-Sicherheitsrates umgesetzt. Die Mitgliedsstaaten waren nicht bereit, Truppen für eine humanitäre Intervention bereitzustellen. Als Frankreich schließlich Einheiten entsandte, dienten diese nicht vorrangig humanitären Zwecken. Entsprechend kritisch äußerte sich der UN-Generalsekretär:

“The delay in reaction by the international community to the genocide in Rwanda has demonstrated graphically its extreme inadequacy to respond urgently with prompt and decisive action to humanitarian crises entwined with armed conflict. … The international community appears paralysed in reacting almost months later even to the revised mandate established by the Security Council. We all must recognize that, in this respect, we have failed in our response to the agony of Rwanda, and thus have acquiesced in the continued loss of human lives. Our readiness and capacity for action has been demonstrated to be inadequate at best, and deplorable at worst, owing to the absence of the collective political will.”[5]

Die Beispiele belegen, dass es eine Pflicht zur humanitären Intervention bislang nicht gibt. Gerade die USA wollten sich im Lichte der Erfahrungen in Somalia nicht auf eine abstrakte Interventionspflicht festlegen lassen und stimmten im Falle Ruandas nur militärischen Einsätzen mit klar definierten, begrenzten Zielen zu. Sie standen somit generellen Verpflichtungen ausdrücklich ablehnend gegenüber (International Panel 2001, 157) und damit ist eine wesentliche Voraussetzung der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht – das Vorliegen einer opinio iuris – nicht erfüllt. Daher lässt sich lediglich die Existenz eines Interventionsrechts des Sicherheitsrates bei schweren Menschenrechtsverletzungen konstatieren, nicht aber eine Interventionspflicht. Die von Senghaas angenommene „Art Rechtspflicht“ des Sicherheitsrates zur Intervention, die die Intervention nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten erscheinen lässt (Senghaas 1999, 136) ist weder als herrschende Auffassung der Völkerrechtswissenschaft noch als Staatenpraxis nachweisbar.

3. „Selbstmandatierte“ Intervention der NATO in Jugoslawien

Der Kosovo hat in drastischer Weise die Defizite bei der Durchsetzung des völkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes deutlich gemacht. Es dürfte unstrittig sein, dass die serbische Staatsmacht dort schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen gegenüber der albanischstämmigen Bevölkerung beging. Der genaue Umfang der Menschenrechtsverletzungen und ihre Begleitumstände sind weithin umstritten. So wird von Politikern als Rechtsfertigung für die Intervention angeführt, dort habe ein Völkermordverbrechen stattgefunden. (Deiseroth 2001, 46) Dies ist ebenso zu hinterfragen wie die Rolle, die die UCK gespielt hat. Ihre Aktionen haben zweifellos zu einem „Aufschaukeln“ des Konflikts beigetragen, indem den serbischen Sicherheitskräften erhebliche Verluste beigebracht wurden, was diese wiederum zu Überreaktionen veranlasste. Problematisch war auch die Rolle, die die UNO auf dem Balkan gespielt hat. Deren humanitäre Intervention in Bosnien-Herzegowina erreichte das Ziel nicht, Massaker zu verhindern und den potentiellen Opfern tatsächlich Schutz zu gewähren (Pape 1997, 245). Die Ursache dafür ist vor allem darin zu suchen, dass die Staaten nicht bereit waren, den Forderungen des Generalsekretärs entsprechend, eine hinreichende Zahl von Soldaten zur Verfügung zu stellen. Hinzu kam, dass das Mandat der Truppen nicht klar formuliert war und sich nicht auf die Hilfe für die Opfer des Konflikts beschränkte, sondern einen Beitrag zur Konfliktlösung erbringen sollte. Das Ergebnis war dementsprechend unbefriedigend. Die humanitäre Intervention blieb im Ansatz stecken, was insbesondere durch den Fall der Schutzzonen dokumentiert wurde. Die Mitverantwortung für den Tod von 7.500 Menschen wurde durch den Rücktritt der niederländischen Regierung am 15. 2. 2002 nach der Vorlage eines Untersuchungsberichts zur Rolle der Streitkräfte beim Fall von Srebrenica eingestanden.[6]

Als es im Frühjahr 1998 zu einer bedenklichen Zuspitzung der Lage der albanischstämmigen Zivilbevölkerung im Kosovo kam, beschloss der UN-Sicherheitsrat mit seiner Res. 1160 (1998) – gestützt auf Kapitel VII der Charta – eine Aufforderung an Belgrad, eine politische Lösung des Problems anzustreben. In den folgenden Monaten kam es jedoch zu einer Verschärfung der Auseinandersetzungen, so dass die Forderung nach Militärschlägen gegen Jugoslawien laut wurde. Möglichkeiten der Konfliktprävention wurden vertan (Weller 2002, 238). Der UN-Sicherheitsrat erwies sich allerdings wegen der Haltung Russlands und Chinas als handlungsunfähig. Dies belegt offenkundig die praktischen – nicht die juristischen – Defizite bei der internationalen Durchsetzung von Menschenrechten.

Daraufhin erklärte die NATO, „unter diesen außergewöhnlichen Umständen“ sei „die Drohung mit und gegebenenfalls der Einsatz von Gewalt durch die NATO gerechtfertigt.“[7]

Da nach der Struktur des gegenwärtigen Völkerrechts das „Gewaltmonopol“ beim UN-Sicherheitsrat liegt, kann eine Interventionspflicht anderer Organisationen stets nur im Wege einer völkerrechtlich nicht vorgesehenen Selbstmandatierung erfolgen. Am weitesten schritt die NATO voran, deren Evolution zu einer „neuen NATO“ bereits 1991 mit dem Strategischen Konzept von Rom begann (Bothe/Martenczuk 1999, 125). Die NATO wandte damit ein Denkkonzept an, das das Europäische Parlament schon 1994 proklamiert hatte und das es in einer Entschließung artikulierte: das Recht auf Intervention aus humanitären Gründen.[8] Diese Entschließung nahm seinerzeit bereits vieles vorweg, was dann 2001 Eingang in die R2P gefunden hat.

Die NATO war der erstmalige „Nutzer“ solcher politischer Denkkonzepte. Anwendung fand das Interventionsrecht bei der Durchsetzung der UN-Sanktionsmaßnahmen gegen die Bundesrepublik Jugoslawien und mit den massiven Luftschlägen gegen Stellungen der bosnischen Serben im Jahre 1995, die letztlich den Abschluss des Dayton-Abkommens ermöglichten. Freilich waren die Maßnahmen aufgrund der Sicherheitsratsresolution 816 (1993) gemäß Kapitel VII ergriffen worden. Sie hatten somit eine zumindest grundsätzliche juristische Grundlage – wenn auch teilweise in einer rechtlichen Grauzone verortet und damit bereits Elemente der Selbstmandatierung aufweisend (Eisermann 2000, 309).

Beim Kosovo-Krieg gab es nicht einmal eine schwache Ermächtigung zur Einleitung militärischer Maßnahmen gegen Belgrad durch den UN-Sicherheitsrat. Vielmehr begann die NATO am 24. März 1999 mit Luftangriffen auf das jugoslawische Territorium ohne jede Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat. Damit ermangelte es eines völkerrechtlichen Rechtfertigungsgrundes. Auch auf das Recht zu kollektiver Selbstverteidigung konnte man sich nicht berufen, da dies nur von außen angegriffenen Staaten zusteht und der Kosovo unstrittig Teil Jugoslawiens ist. Rechtfertigungsgründe aus dem Recht der Staatenverantwortlichkeit wie Nothilfe und Notstandshilfe (Ipsen 1999, 19) ließen sich auch nicht anführen, da sie nur von Staaten geltend gemacht werden können, denen Menschen anvertraut sind, die sie zu schützen haben. Das war bei den Kosovo-Albernern nicht der Fall, da diese nicht dem Schutz der NATO-Staaten unterstanden. Eine Schutzpflicht besteht jedoch nur im Bereich der eigenen Hoheitsgewalt (Kälin 2000, 166). Andere kritische Positionen setzen um Umstand an, dass die NATO-Staaten nicht alle Möglichkeiten genutzt haben, um die UNO umfassend mit dem Kosovo-Problem zu befassen. Insbesondere wurde nicht versucht, die Generalversammlung auf der Grundlage des „Uniting for Peace“-Resolution aus dem Jahre 1950 einzubeziehen. Diese Resolution erlaubt bei der Blockade des Sicherheitsrates die Generalversammlung mit dem Thema zu befassen. Es scheint jedoch offensichtlich, dass die NATO-Staaten diesen Weg nicht beschritten, weil die Staatenmehrheit höchst wahrscheinlich einer humanitären Intervention nicht zugestimmt hätte. In der Literatur wird weiterhin kritisch angemerkt, dass der Umfang der Menschenrechtsverletzungen im Kosovo im Frühjahr 1999 nicht das Niveau eines Völkermordes erreicht habe, so dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeit keine humanitäre Intervention berechtigt gewesen sei. Das erkläre auch, weshalb die Res. 1244 des UN-Sicherheitsrates nicht nachträglich die Intervention für rechtens erklärt habe (Flauss 2002, 87).

4. Völkerrechtliche Konsequenzen des Kosovo-Einsatzes?

Selbst Autoren, die die NATO-Intervention letztlich befürworteten, anerkennen, dass der Einsatz ohne Mandatierung oder Autorisierung durch den UN-Sicherheitsrat „rechtlich als prekär angesehen werden musste.“ Gleichwohl schließen sie daraus nicht auf eine Rechtswidrigkeit der Vorgehensweise. Vielmehr wird aus dem „Nichthandeln“ des Rates die Möglichkeit der Rechtfertigung eines bewaffneten Eingreifens aus notstandsähnlichen Erwägungen abgeleitet. Zugestanden wird aber, dass die Zahl der Verluste unter der Zivilbevölkerung im Kosovo hoch blieb, weshalb die Rechtsfertigung dieses Krieges ohne Mandat des Sicherheitsrats als „äußerst prekär“ angesehen werden müsse. (Frowein 2001, 898). Diese Argumentation bezieht sich freilich nicht vorrangig auf die Frage, ob die Umgehung des Gewaltmonopols des Rates rechtens war. Stattdessen wird auf die Zahl der Opfer abgestellt. Dies ist jedoch in erster Linie ein Problem der Art und Weise der Kriegsführung und sagt nicht über die Legitimität dieses Krieges.

Auch andere Autoren kritisieren die Kriegsführungsmethode. So wirft Stein dem Westen vor, er sei nur bereit gewesen, „ein minimales Risiko einzugehen“ und konnte militärisch mit dem Luftkrieg nur sehr begrenzt etwas erreichen. Damit wird die moralische Legitimation für den Angriff – die NATO habe ja nur uneigennützig den Menschen helfen wollen – grundsätzlich infrage gestellt. Gleichwohl wird aus dem Kosovo-Krieg gefolgert, dass das Gewaltmonopol der Vereinten Nationen „nicht mehr unangefochten gilt.“ (Stein 2002, 21) Statt dessen werden in der Literatur Kriterien genannt, nach denen ein nicht-UN-autorisierter Gewalteinsatz in Zukunft möglich sein sollte. Im Zentrum steht dabei die Forderung: Das Verfahren nach der UN-Charta muss versucht worden sein, d.h. der Sicherheitsrat und die Generalversammlung müssen erfolglos angerufen und mit der Sache befasst worden sein. Es muss sich weiterhin um schwere und systematische Menschenrechtsverletzungen handeln und Maßnahmen der friedlichen Streitbeilegung müssen versucht worden sein. Die Operation ist ferner auf das humanitäre Anliegen zu beschränken und muss dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgen. Schließlich sei nur eine Gruppe von Staaten, nicht aber eine Hegemonialmacht allein, zur Intervention berechtigt (Stein 2002, 32). Diese Kriterien sind bislang allerdings nur in der Literatur erwogen worden. Eingang in eine völkerrechtliche Vereinbarung haben sie noch nicht gefunden.

4.1. Fortbestehende Ungereimtheiten bezüglich Kosovo

Die Bestrebungen, Kriterien für völkerrechtsgemäße humanitäre Interventionen aufzustellen, entspringen vor allem dem moralischen Dilemma, dass rechtstreue Staaten auf schwerste Menschenrechtsverletzungen reagieren müssen und die betroffenen Menschen nicht ihrem Schicksal überlassen können. Gleichwohl stoßen diese Kriterien wiederum sehr schnell an politische und Machbarkeitsgrenzen. Das zeigte sich, als kurz nach der Kosovo-Intervention indonesische Milizen in Ost-Timor ein Blutbad anrichteten, um die Unabhängigkeit dieses Volkes zu verhindern. Hier ließ die humanitäre Intervention auf sich warten, weshalb sich wiederum erneut die Frage stellte, ob der Westen denn nicht auch bei den humanitären Interventionen Doppelstandards – je nach politischer Opportunität – anlegt (Sassoli 2000, 207). Andere massive Menschenrechtsverletzungen finden sich bislang nicht auf der Tagesordnung des UN-Sicherheitsrats, obwohl sie tausende Opfer forderten. Hat die NATO also durch ihre Intervention gegen Belgrad überreagiert, weil sich dies alles „vor der Haustür“ abspielte und neue Flüchtlingsströme nach Westeuropa befürchtet wurden?

Was auch immer die konkreten Beweggründe in Brüssel gewesen sein mögen, es kann nicht übersehen werden, dass die NATO-Maßnahmen auf der Linie lagen, die der UN-Sicherheitsrat mit der Verurteilung Serbiens für seine Politik im Kosovo mit der Resolution 1199 vorgegeben hatte. Hier blieb der Rat allerdings auf halben Wege stehen, indem er die Existenz einer Friedensbedrohung feststellte, aber nichts zu seiner Überwindung tat. Auf die Dauer konnte eine verantwortungsbewusste Staatengemeinschaft nicht lediglich konstatieren, dass es eine Friedensbedrohung gab. Im konkreten Fall trugen Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrates eher noch zur Zuspitzung des Konflikts bei: Die (militärische) Unterstützung der UCK durch NATO-Staaten bzw. deren Duldung einer derartigen Tätigkeit des albanischen Diaspora führte sicher nicht dazu, die konstatierte Friedensbedrohung abzubauen. Gleichwohl stieg damit der Handlungsbedarf, denn die Kämpfe nahmen zu, so dass die Region in eine immer bedrohlichere Lage geriet. Daher verwunderte die sicher auch aus diesen praktischen Erwägungen entspringende breite regionale Unterstützung der NATO-Maßnahmen nicht, die in der Beteiligung von 19 Staaten an der NATO-Intervention zum Ausdruck kam. Letztlich folgte die Intervention in der letzten Konsequenz dem Pfad, den der UN-Sicherheitsrat mit seiner Resolution 1199 bereits eingeschlagen hatte. Die NATO schritt im März 1999 zu militärischen Maßnahmen mit dem erklärten Ziel, die konstatierte Friedensbedrohung zu überwinden, freilich ohne durch das zuständige Staatengemeinschaftsorgan dazu ermächtigt zu sein.

Unter diesen Umständen wäre zu erwarten gewesen, dass nach dem Ende der Bombardierungen der UN-Sicherheitsrat Stellung zu den Maßnahmen der NATO genommen hätte. Dies erfolgte nicht. Zu vermuten ist, dass die Ursache dafür letztlich in dem Umstand liegt, dass die NATO keinen Sieg über Milosevic errungen hatte. Der Diktator gab letztlich auf, weil Russland ihm jede Unterstützung entzogen hatte. Russland war aber nicht interessiert an einer nachträglichen Rechtfertigung der NATO-Maßnahmen, sondern an einem maßgeblichen Anteil an der KFOR. Folglich enthält die nach dem Waffengang der NATO verabschiedete Sicherheitsratsresolution 1244 (1999), die die Schaffung der UN-Verwaltung für den Kosovo zum Gegenstand hat, keine Aussage zur Rechtmäßigkeit der NATO-Bombardements.

Angesichts der offenen Fragen – auch die Klage Jugoslawiens gegen die NATO-Staaten konnte keine Antwort erbringen, da sie vom IGH verworfen wurde – kann der Kosovo-Krieg nicht als Präjudiz für die Rechtmäßigkeit humanitärer Interventionen außerhalb des UN-Systems herangezogen werden. Hinzu kommt, dass auch die westlichen Staaten kein allgemeines Recht auf humanitäre Interventionen behaupten und nicht müde werden, den absoluten Ausnahmecharakter des Kosovo-Einsatzes zu unterstreichen (Nolte 1999, 959). Gerade in Deutschland mögen dafür auch verfassungsrechtliche Bedenken Anlass sein (Epping 2000. 615).

4.2. Moralisches Dilemma besteht fort

Zweifellos hat die NATO-Intervention zahlreiche völkerrechtliche Probleme aufgeworfen und der Jurist wünscht sich natürlich die Klärung durch eine völkerrechtliche Kodifizierung (Henke 2009, 15). Aber diese ist angesichts der politischen Gemengelage nicht zu erwarten. Deshalb ist es zu begrüßen, dass zumindest auf der im Bereich der Aktivitäten der UNO Fakten geschaffen wurden. So fragte der UN- Generalsekretär auf dem Millenniums-Gipfels der Vereinten Nationen, wie auf Menschenrechtsverletzungen vom Schlage des Völkermords in Ruanda und des Massakers in Srebenica zu antworten sei, wenn humanitäre Interventionen aus Rücksicht auf die staatliche Souveränität nicht zulässig seien. Eine Antwort versuchte die „Internationale Kommission zur Intervention und Staatensouveränität“ zu geben, deren umfangreicher Bericht 2001 vom kanadischen Außenministerium vorgelegt wurde (Williams 2002, 10). Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass sich eine Theorie und Praxis der humanitären Interventionen herauszubilden beginne, deren rechtliche Grundlage letztlich eine Verpflichtung sei, bedrängten Menschen Schutz zu gewähren. Dieser Gedanke der Schutzgewährung liege dem individualschützenden Völkerrecht zugrunde. So verpflichtet das humanitäre Völkerrecht die am bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien, Nichtkombattanten zu schützen. Das Flüchtlingsrecht ermächtigt den UNHCR, für den Schutz der Flüchtlinge einzutreten. Die Idee der Schutzverpflichtung ist somit nicht neu. Offen bleibt allerdings die Frage, wie der Schutz durchgesetzt werden kann und ob er gar zu erzwingen ist. Darauf gibt das Völkerrecht bislang keine Antwort. Es bleibt folglich lediglich der Weg über den UN-Sicherheitsrat und über die Feststellung einer Friedensbedrohung. Nur dann ist eine humanitäre Intervention gerechtfertigt. Auch der Kosovo-Krieg hat bislang nicht zur Entstehung neuer Völkerrechtsnormen geführt.

Zu bedenken ist weiterhin, dass die humanitäre Intervention nicht dazu in der Lage ist, den Konflikt tatsächlich langfristig zu lösen. Die humanitäre Intervention hat nämlich nur eine „trügerische Faszination“ (Hilpold 1999, 157). Kosovo und Osttimor zeigen, dass der Wiederaufbau einer friedlichen Post-Konflikt-Gesellschaft außerordentlich aufwendig ist und eine Kraftanstrengung der gesamten Staatengemeinschaft erfordert (Bothe/Marauhn 2000, 156). Schlussendlich landen die Probleme krisengeschüttelter und von Konflikten betroffener Gesellschaften dann doch wieder bei den Vereinten Nationen. Deshalb muss diese Organisation auch bei der Entscheidung zu einer humanitären Intervention das Sagen haben. Aber die Geschichte lehrt auch, dass die humanitäre Intervention nur im Notfall zur Anwendung kommen kann. Das Schwergewicht muss bei der Prävention von Konflikten liegen.

5. Das Konzept der R2P

Die Empfehlungen der International Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS) wurden im Jahr 2001 veröffentlicht. Sie betrachten die staatliche Souveränität in einem anderen Licht, denn sie wird als Instrument zum Schutz der Bevölkerung verstanden. Staaten, die schwerste Menschenrechtsverletzungen dulden oder begehen, können sich nicht auf den Schutzschild Souveränität berufen. verstecken. Solche Verbrechen werden in einen internationalen Zusammenhang gestellt. Dann nämlich, wenn ein Staat nicht willens oder in der Lage ist, seine Bevölkerung vor Genozid, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen, geht die Verpflichtung zum Schutz auf die anderen Mitglieder der internationalen Gemeinschaft über. Mit dem Übergang dieser Verantwortung zum Schutz an die anderen Mitglieder der internationalen Gemeinschaft – und damit zumindest einer teilweisen und temporären Einschränkung der Souveränität des betroffenen Staates – soll der Staat dazu gebracht werden, sich wieder völkerrechtskonform zu verhalten. Macht sich ein Staat schwerer Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, so hat die internationale Gemeinschaft nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, zu intervenieren.

Die R2P umgeht ausdrücklich nicht den kontroversen Begriff der humanitären Intervention, revolutioniert aber dennoch die Interpretation der völkerrechtlichen Pflichtenlage, denn sie gibt den Menschenrechten im Konflikt Vorrang vor dem Rechtsgut der staatlichen Souveränität. Doch diese Herangehensweise ist in erster Linie ein rechtstheoretisches Problem.

Von praktischer Bedeutung ist demgegenüber, dass sich die R2P nicht lediglich auf die (möglicherweise militärische) Reaktion auf Menschenrechtsverletzungen beschränkt. Vielmehr umfasst das Konzept auch die Bereiche der Prävention („Responsibility to Prevent“), der Reaktion („Responsibility to React“) und des Wiederaufbaus („Responsibility to Rebuild“). Die Schutzverantwortung wird damit als Prozess verstanden, der die militärische

Intervention dann vorsieht, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft wurden.

5.1. Eingang der R2P in UN-Dokumente

Das Konzept der Expertengruppe fand schließlich Eingang in die UN-Dokumente. Erstamals 2004 in den Bericht des Secretary General’s High-level Panel on Threats, Challenges

and Change als auch in das Dokument „In Larger Freedom“. Beide Berichte sind Schlüsseldokumente des UN-Reformprozesses und empfehlen den Regierungen, die R2P zu unterstützen. Schließlich fand die R2P im Jahre 2005 Aufnahme in den Abschlussbericht des UN-Weltgipfels im September 2005. Ausdrücklich wird darin festgestellt, dass zwar die Regierungen für den Schutz ihrer Bevölkerungen verantwortlich sind. Falls sie aber nicht willens oder nicht in der Lage sind, ihrer Verantwortung nachzukommen, geht diese Verantwortung auf die internationale Gemeinschaft über. Sie soll mit friedlichen Mitteln die Bevölkerung schützen. Die internationale Gemeinschaft soll durch den Sicherheitsrat handeln (Schaller APuZ 2008, 9). Damit machte sich die UN wesentliche Komponenten der R2P zu eigen, übernahm das Konzept aber nicht völlig. Insbesondere fand die “Responsibility to Rebuild” keine Erwähnung. Auch die vorgeschlagenen Kriterien für eine militärische Intervention wurden nicht übernommen.

Auch in Sicherheitsratsresolutionen finden sich Bezüge auf das Konzept, so in der Resolution „Protection of civilians in armed conflict“[9] und den Resolutionen zur Entsendung von UN-Friedenstruppen nach Darfur.[10]

5.2. Darf oder muss Gewalt angewendet werden?

Die R2P zielt darauf ab, Menschenrechtsverletzungen zu vermeiden. Sollte dies nicht möglich sein, so sind durch die internationale Gemeinschaft durch nichtmilitärische Zwangsmaßnahmen gegen den Verursacherstaat der Rechtsverletzungen zu ergreifen. Ist diese erfolglos, so ist als ultima ratio auch eine militärische Intervention zum Schutz der Bevölkerung vorgesehen. Als erstes Kriterium für die Anwendung von Waffengewalt nennt die R2P daher, dass die Gewalt das letzte Mittel (last resort) der Einwirkung auf den Rechtsverletzer ist. Als zweites Kriterium wird der gerechte Grund für die Intervention genannt (just cause). Voraussetzung ist demnach eine akute Bedrohung des Lebens einer großen Anzahl von Menschen oder eine ethnische Säuberung und die Unwilligkeit oder Unfähigkeit des Staates, dagegen vorzugehen. Das dritte Kriterium ist die aufrichtige Absicht der intervenierenden Staaten (right intention). Das ausschließlich Ziel muss die Überwindung der Leiden der Menschen sein. Die Herbeiführung des Sturzes einer Regierung ist grundsätzlich kein legitimes Ziel der R2P. Um die aufrichte Absicht der militärischen Intervention deutlich zu machen, ist ein multilaterales Vorgehen anzustreben.

Das vierte Kriterium ist die Verhältnismäßigkeit (proportional means) des Vorgehens anzuführen. Demnach darf der Umfang, die Dauer und Intensität des Eingriffs nicht über das Ziel des Schutzes der Zivilbevölkerung hinausgehen. Das fünfte Kriterium umfasst die Forderung nach vernünftigen Erfolgsaussichten (reasonable prospects) der militärischen Intervention. Demnach ist von solchen Maßnahmen abzusehen, wenn zu erwarten ist, dass sich die Lage der Bevölkerung nach der Intervention verschlechtert.

Die Kriterien klingen vernünftig und sind nachvollziehbar. Allerdings werfen sie die Frage auf, wer und wie die Nachweise für die infrage stehenden Verbrechen, die den Einsatz militärischer Gewalt legitimieren würden, erbracht werden können. Aber selbst wenn es eindeutige Beweise gäbe, so ist die Entscheidung über einen Einsatz immer noch abhängig vom politischen Willen. Das machte der Irak-Krieg der USA 2003 offenkundig. Hier gab es hinreichende Erkenntnisse darüber, dass der Irak 2003 nicht mehr über Massenvernichtungswaffen verfügte, was durch die satellitengestützte und Luftaufklärung wir durch die Vor-Ort-Kontrollen unter der Leitung von Blix bestätigt wurde. Dennoch setzten sich die USA und Großbritannien über die Beweise hinweg und arbeiteten mit Lügen (Ehrenberg 2010, 147). Letztlich ist somit die politische Instanz, die die Entscheidung über den Einsatz trifft, gefragt. Sie wird in der R2P adressiert, indem das Kriterium der „right authority“ angeprochen wird. Entsprechend dem völkerrechtlichen Gewaltmonopol beim UN-Sicherheitsrat muss jeder Einsatz militärischer Gewalt durch den Sicherheitsrat legitimiert werden. Freilich zeigt sich in der Praxis, dass der Sicherheitsrat entgegen seinem Mandat oftmals politisch blockiert ist. Das hat in der Vergangenheit im Falle Koreas 1950 dazu geführt, dass sich auf der Grundlage der Resolution „Uniting for Peace“ die UN-Generalversammlung mit dem Problem beschäftige und Empfehlungen aussprach. Freilich sind derartige Resolutionen nicht verbindlich und ermächtigen nicht zur Anwendung von Gewalt. Denkbar wäre auch ein Tätigwerden der Regionalorganisationen nach Kapitel VIII der UN-Charta, die allerdings nachträglich die Zustimmung des Sicherheitsrats anfordern müssten. So gingen der UN-mandatierten humanitären Intervention 1994 in Haiti zahlreiche Debatten und Beschlüsse der OAS voraus.

Freilich gefährdet die durch die R2P angestrebte Legalisierung der Gewaltanwendung zugunsten des Menschenrechtsschutzes das strikte völkerrechtliche Gewaltverbot, so dass vielfach befürchtet wird, dieses Instrument könne für politische zwecke missbraucht werden. Insbesondere Entwicklungsländer befürchten dies, während China und Russland am Souveränitätsdogma festhalten. Notwendig ist angesichts dieser divergierenden Auffassung ein weitere Diskussion dieses Konzepts um zu verhindern, dass die Völkerrechtsordnung immer weiter in unterschiedliche Rechtskreise zerfällt. Das Beispiel des Kosovo, wo auch zwei Jahre nach der einseitigen Unabhängigkeitserklärung immer noch kein Konsens über den Status herbeigeführt wurde, ist symbolisch für die Zerbröselung der Völkerrechtsordnung durch die Unfähigkeit der Großmächte zur Akzeptanz eines Kompromisses. Das Menschenrechtsthema, die Abwendung von völkerrechtlichen Verbrechen an unschuldigen Menschen, ist zu wichtig, als dass man es politischen Ränkespielen überlassen könnte. Daher ist es sehr zu begrüßen, dass die R2P immer deutlichere – auch völkerrechtliche Gestalt annimmt, obwohl es sich nach wie vor um ein politisches Konzept handelt (Schaller SWP 2008, 2). Zu dieser Fortentwicklung kommt es vor allem durch den Umstand, dass der UN-Generalsekretär regelmäßige Berichte über die „Umsetzung der Schutzverantwortung“ vorlegt. Damit ergeht es den Ergebnissen des Millenniumsgipfels anders als sonstigen Resolutionen der UN-Generalversammlung, die oftmals direkt ins Grab der ungelesenen Dokumente wandern. Der jüngste Bericht[11] ist aufschlussreich und zeigt, dass das Konzept weiterhin große internationale Aufmerksamkeit genießt.

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[1] UN-Doc. A/2625 [XXV].

[2] Case concerning Military an Paramilitary Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, S. 14

[3] So erklärte am 17. April 1991 Außenminister Genscher vor dem Deutschen Bundestag: „Die Resolution 688 hat historische Bedeutung. Sie hat erstmals in der Geschichte der Vereinten Nationen in dieser Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass die Missachtung der Menschenrechte den internationalen Frieden und die Sicherheit bedroht. Sie kann nicht mehr nur als innere Angelegenheit eines Staates behandelt werden. Das ist eine wichtige Fortentwicklung des Völkerrechts. Künftig kann sich keine Regierung, die Völ­kerrecht und Menschenrechte mit Füßen tritt, die die Bürger ihres Landes unterdrückt und zur Flucht zwingt, darauf berufen, dass solche Vorgänge eine innere Angelegenheit sind, die der Mitsprache der Völkergemeinschaft und der Vereinten Nationen entzogen sind.“ Abgedruckt in: E

Dr. Hans-Joachim Heintze

Neue Herauforderungen = neue Standards für menschenrechtlich begründete

Interventionen (Voraussetzungen – Akteure – Instrumente)

Seit dem Kosovo-Krieg von 1999 hält die intensive Debatte der Völkerrechtler über die humanitäre Intervention an, die durch sehr kontroverse Positionen gekennzeichnet ist (Nachweise bei Tomuschat 2002) und mit der R2P eine neue Dimension bekam (Schorlemer, 2007). Im Mittelpunkt stand dabei das Problem, ob massenhafte und schwere Verletzungen der Menschenrechte in einem Staat andere Staaten oder internationale Organisationen zur Gewaltanwendung unter dem Label der humanitären Intervention zum militärischen Eingreifen in dem menschenrechtsverletzenden Staat berechtigen. Die Frage erhält dadurch Brisanz, als eine solche Intervention im Widerspruch zu der bislang auch durch das moderne Völkerrecht geheiligte Souveränität der Staaten steht (Kicker 2000, 198).  Das politische Konzept der „Responsibility to Protect“ (R2P) aus dem Jahr 2001 versucht einen Ausweg aus diesem Dilemma.

1. Unbestrittene Fortgeltung des Souveränitätsprinzips im modernen Völkerrecht

Zwei grundlegende Normen des modernen Völkerrechts schützen die Souveränität der Staaten. Zum ersten handelt es sich um das Verbot der Androhung und Anwendung von Gewalt in den zwischenstaatlichen Beziehungen, das in Art. 2 Abs. 4 der UN-Charta festgeschrieben ist. (Ipsen 2004, 928). Die NATO-Staaten verstießen 1999 unstrittig gegen dieses Verbot, denn sie begannen am 24. 3. 1999 mit Bombenangriffen auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik Jugoslawien. Dies warf zwangsläufig die vieldiskutierte Frage auf, ob es dafür eine völkerrechtliche Rechtfertigung gab.

Zu berücksichtigen ist zudem eine zweite Norm, die die Souveränität schützen soll: Das Verbot der Einmischung von Staaten in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten (Interventionsverbot). Diese Norm gehört ebenfalls zu den Grundregeln des Völkerrechts, obwohl sie nicht ausdrücklich in der UN-Charta niedergelegt ist (Nolte 2002, 154) Es handelt sich vielmehr um eine Norm des Völkergewohnheitsrechts, die vielfach durch die UN-Generalversammlung bestätigt und sogar weiterentwickelt wurde. Richtungsweisend für die Auslegung des Inhalts dieser Norm wurde die sog. Friendly-Relations-Deklaration von 1970.[1]

Die Geltung des Gewalt- und Einmischungsverbots wurde durch den Internationalen Gerichtshof in eindrucksvoller Weise im Urteil vom 27. 6. 1986 im Fall Nicaragua versus USA unterstrichen. Hierin wird ausgeführt, dass die Gestaltung des politischen, sozialen und wirtschaftlichen Systems ebenso wie die Außenpolitik eines Staates dessen innere Angelegenheit ist. In diese dürfen sich andere Staaten weder politisch noch militärisch direkt oder indirekt einmischen.[2] Selbst schwere Menschenrechtsverletzungen rechtfertigen nicht automatisch die Permeabilität des Gewalt- und Interventionsverbots. Das wird beispielhaft an den Resolutionen des UN-Sicherheitsrates deutlich, die das Einmischungsverbot vielfach ausdrücklich nennen. So bekannte sich der Rat beispielsweise noch kurz vor dem Ende des Zweiten Golfkrieges mit der Resolution 688 (1991) ausdrücklich zur Souveränität und politischen Unabhängigkeit des Irak und unterstrich damit, dass auch die dort begangenen Menschenrechtsverletzungen die Souveränität des Irak nicht aufheben (Endemann 1997, 182). Diesem Ansatz entspricht auch, dass die mit Kuwait verbündeten Staaten keinen Versuch machten, den irakischen Diktator Saddam Hussein zu stürzen. Ferner wurde nach dem Golfkrieg dieselbe undemokratische Regierung in Kuwait wiedereingesetzt, die vorher geherrscht hatte. Die Regierungsform in Kuwait und im Irak wurde somit als innere Angelegenheiten dieser Staaten angesehen. Auch nach der Okkupation Iraks durch die USA und ihrer „Coalition of the Willing“ unterstrich der Sicherheitsrat fortlaufend – beginnend mit der Res. 1483 (2003) die weiterbestehende Souveränität des Irak (Reschke 2009, 114).

Die Tatsache, dass das jugoslawische Regime bis zum Frühjahr 1999 schwere Menschenrechtsverletzungen im Kosovo beging, die Bundesrepublik Jugoslawien beileibe keine Demokratie war und von Präsident Milosevic diktatorisch regiert wurde sowie die Ablehnung des Friedens-Vorschlags von Rambouillet (Mutz 2000, 167) berechtigte die NATO also nicht per se zu dem Angriff vom 24. 3. 1999 (Loquai 2000, 68). Zu fragen ist daher, ob die Intensität der Menschenrechtsverletzungen im Kosovo – anders als die des Irak gegenüber den Kurden 1991 – unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes von der NATO als Rechtfertigungsgrund angeführt werden kann. Die völkerrechtliche Debatte gab darauf verschiedene Antworten.

2. Unbestrittener Aufstieg der Menschenrechte zur Völkerrechtsnorm

Die souveränitätsorientierte Ausformung des Völkerrechts, repräsentiert durch das Gewalt- und Einmischungsverbot, wurde zeitgleich von einer anderen völkerrechtlichen Entwicklung begleitet: dem enormen Bedeutungszuwachs der Menschenrechte. Im Lichte der umfassendenden Kodifizierung dieses Rechtskörpers ist einzuschätzen, dass massenhafte und schwere Menschenrechtsverletzungen heute nicht mehr ausschließlich innere Angelegenheiten von Staaten sind (Tomuschat , Rechtsstaat 2002, 7). Sie verstoßen vielmehr gegen Völkerrecht und rufen völkerrechtliche Verantwortlichkeit des rechtsverletzenden Staates hervor. Diese Verantwortlichkeit ist die Rechtsgrundlage dafür, dass Staaten einseitige Sanktionen gegen den Rechtsverletzer ergreifen. Allerdings birgt die unilaterale Anwendung von Zwang stets die Gefahr des politischen Missbrauchs.

Notwendig ist daher eine Befassung der UNO mit Menschenrechtsverletzungen. Dass die UNO die Kompetenz hierzu hat, ergibt sich aus der UN-Charta, einschlägigen völkerrechtlichen Verträgen und dem erga-omnes-Charakter der Menschenrechte, d. h. Verletzungen der Menschenrechte betreffen die ganze Staatengemeinschaft. Die Art und Weise der Befassung unterliegt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Je schwerer die Menschenrechtsverletzung ist, desto durchgreifender muss die Reaktion der Staatengemeinschaft sein. Die menschenrechtliche Kompetenz der UNO hat in den letzten Jahrzehnten zu einer enormen Relativierung der staatlichen Souveränität geführt, die bis zum Interventionsrecht reicht . Bei einer solchen humanitären Interventionen handelt es sich um das militärische Eingreifen in den Hoheitsbereich eines Staates, um dessen Staatsangehörige vor existentieller Bedrohung, insbesondere massiven Menschenrechtsverletzungen, zu schützen. Dabei ist es unerheblich, ob die Bedrohung vom Staat selbst ausgeht oder durch das Abgleiten eines Staates in die Anarchie entsteht (Greenwood 1993, 93). Einige Autoren meinen, dass bewaffnete Maßnahmen zum Schutz fundamentaler Interessen der Staatengemeinschaft (also auch der Menschenrechte) heute bereits generell zulässig seien (Thürer 2000, 9).

2.1. Unbestrittenes Recht zur humanitären Intervention bei Menschenrechtsverletzungen

Dass der UN-Sicherheitsrat die Kompetenz zur Einleitung einer humanitären Intervention hat, ergibt sich aus seiner Hauptverantwortung für die Aufrechterhaltung des Weltfriedens. Daraus leitet sich ab, dass er sich mit allen Situationen befassen kann, die den Frieden gefährden. Dabei muss es sich nicht ausschließlich um internationale Konflikte handeln (Stein 1999, 111). Auch die Lage innerhalb es Staates, beispielsweise durch massenhafte Menschenrechtsverletzungen hervorgerufen, kann als objektive Bedrohung des Weltfriedens angesehen werden und ein Tätigwerden des Rates begründen (Verdross/Simma 1988, 144). Die Praxis zeigt, dass der Begriff der Friedensbedrohung bei Einigkeit im Sicherheitsrat außerordentlich weit verstanden werden kann (Frowein/Krisch 2002, 721). Dies ist ein wesentlicher Fortschritt gegenüber dem klassischen Völkerrecht, auf dessen Grundlage sich die Staaten weigerten, die nationalsozialistische Judenverfolgung zu Kenntnis zu nehmen, da es sich um eine „innere Angelegenheit“ des Deutschen Reiches handelte. Selbst die Schweiz schickte aus dieser Erwägung heraus geflohene deutsche Juden über die Grenze zurück.

Heute kann jede Situation – betreffe sie einen internationalen Konflikt oder die Lage in einem Staat – durch einen UN-Mitgliedsstaat, den UN-Generalsekretär oder durch den UN-Sicherheitsrat selbst auf die Tagesordnung des Rates gesetzt werden. Jedoch liegt die Entscheidung über die Art und Weise der Befassung mit einem friedensgefährdenden Konflikt allein in der Kompetenz der Mitglieder des Sicherheitsrates. Deren Einschätzung hängt freilich nicht ausschließlich von der Bewertung des tatsächlichen Geschehens ab (Delbrück 1995, 22) Vielmehr stellen insbesondere die Ständigen Mitglieder des Rates in aller Regel – chartawidrig – nationale Interessen über ihre Verantwortung für den Weltfrieden. Anders lässt sich beispielsweise nicht erklären, warum China im Frühjahr 1999 der Verlängerung des Mandats der präventiv in Mazedonien stationierten Blauhelme nicht zustimmte, obwohl diese den Ausbruch von Feindseligkeiten verhindert hatten. China verweigerte die Zustimmung lediglich deshalb, weil Mazedonien Taiwan anerkannt hatte (Eisele 2000, 136). Es ist damit mitverantwortlich für den Ausbruch des Konflikts in Mazedonien im Jahre 2001 (Dreist 2002, 5). Das Beispiel zeigt ebenso wie die hilflose Reaktion der Weltorganisation auf den langjährigen Nahostkonflikts, dass die UNO noch weit von dem Ideal entfernt ist, ein Garant für einen weltweit geltenden Mindeststandard von Recht und Ordnung zu sein.

Bei aller notweniger Kritik an der UNO ist aber auch zu verzeichnen, dass es nach dem Ende des Ost-West-Gegensatzes unter dem Druck der öffentlichen Meinung wenigstens ansatzweise gelungen ist, dass sich die Weltorganisation für bedrohte Menschen mit aller Konsequenz – d.h. auch mit militärischen Mitteln – eingesetzt hat. Dies ist zweifellos ein historischer Durchbruch. Damit wurden Standards gesetzt, die verteidigt werden müssen (Gading 1996, 222). Es darf nicht zugelassen werden, dass der Sicherheitsrat wieder hinter dieses erreichte Niveau der internationalen Menschenrechtssicherung zurückfällt und damit aus dieser menschenrechtlichen Verantwortung entlassen wird. Dass die NATO bei ihrer Entscheidung zur Intervention in Jugoslawien den UN-Sicherheitsrat umging, muss als die eigentliche rechtspolitische Katastrophe dieses Krieges angesehen werden. Es war nämlich keineswegs leicht, den UN-Sicherheitsrat zu veranlassen, bei Menschenrechtsverletzungen einzuschreiten, die keine zwischenstaatliche Dimension hatten.

Dies zeigt ein Blick in die einschlägige Praxis. Eine Schlüsselrolle bei der Hinwendung der UNO zu humanitären Interventionen nimmt die Resolution 688 (1991) zur Notlage der irakischen Zivilbevölkerung  ein, die die Reaktion des UN-Sicherheitsrats auf die Menschenrechtsverletzungen im Irak am Ende des Zweiten Golfkrieges darstellte. Sie wurde vielfach geradezu euphorisch gefeiert und als entscheidender Wendepunkt angesehen.[3] Die Ursache für die überschwängliche Bewertung dieser Resolution ist allerdings weniger auf ihren Inhalt zurückzuführen als auf die Erleichterung darüber, dass der Rat nach langem Zögern endlich tätig wurde, um das sich vor den Augen der Weltöffentlichkeit abspielende Flüchtlingsdrama der Kurden und die Verfolgung der Schiiten zu beenden. Da die Resolution allerdings nicht unter Kapitel VII der Charta angenommen wurde, somit also keine Zwangsmassnahme gegen einen menschenrechtsverletzenden Staat darstellt, handelte es sich auch nicht um eine humanitäre Interventionen im streng juristischen Sinne. Gleichwohl war damit der Weg eröffnet, der den UN-Sicherheitsrat zur Befassung mit massenhaften und schweren Menschenrechtsverletzungen veranlasste. Hinsichtlich Somalias, Bosniens, Haitis, Ruandas, Albaniens und Zaires wurde festgestellt, dass die dort begangenen Rechtsverletzungen eine friedensbedrohende Dimension hatten – obwohl es sich zumeist um Konflikte innerhalb der betroffenen Staaten ohne grenzüberschreitende Auswirkungen handelte – und humanitäre Interventionen der Staatengemeinschaft notwendig machten (Heintze 2001, 63). Die menschenrechtsschützende Praxis des UN-Sicherheitsrat ist zu würdigen, denn damit wurden dem völkerrechtlichen Menschenrechtschutz „Zähne“ gegeben. Die UNO war nicht länger nur ein „bellender Hund“ und bedrohte Menschen auf der ganzen Welt konnten grundsätzlich auf wirksame Hilfe hoffen. Mit dieser positiven Bewertung soll keinesfalls einem „neuen Interventionismus“ (Debiel/Nuschler 1996, 13) das Wort geredet werden. Vielmehr ist darauf zu verweisen, dass der UN-Sicherheitsrat das Recht und die Möglichkeit hat, auf schwere Menschenrechtsverletzungen mit Zwangsmaßnahmen, und zwar sowohl mit nichtmilitärischen als auch mit militärischen, zu reagieren. Allein der Umstand, dass er auch den Willen dazu hatte, dürfte auf potentielle Rechtsverletzer abschreckend wirken. Hier liegt eine deutliche Parallele zur generalpräventiven Wirkung des Strafrechts.

2.2. Interventions-Zögerlichkeit des UN-Sicherheitsrats

Wenn ein Interventionsrecht des UN-Sicherheitsrates konstatiert wird, so stellt sich die Frage, ob es auch eine Pflicht der UNO zur Intervention gibt. Dabei handelt es sich nicht um ein theoretisches Problem. Vielmehr haben sich die Staaten mit der UNO in einem System kollektiver Sicherheit zusammengefunden und sich verpflichtet, gemeinsam gegen Rechtsbrecher aufzutreten (Opitz 2010, 33). Ein Rechtsgut, das dem Schutz dieses Systems unterliegt, sind die Menschenrechte. Folglich muss an sich, z.B. bei einem Völkermord, von einer Interventionspflicht der rechtstreuen Staaten ausgegangen werden (Schabas 2008, 189). Eine solche legalistische Betrachtungsweise scheitert aber an dem Umstand, dass es sich bei beim UN-Sicherheitsrat nicht um ein rechtliches, sondern um ein politisches Organ handelt. Da es keine objektiven Kriterien für das Vorliegen einer Friedensbedrohung – der Voraussetzung für die Anwendung von Zwangsmaßnahmen gegen einen Rechtsbrecher – gibt, bleibt es völlig dem Gutdünken des Rates vorbehalten, welche Situationen er als friedensbedrohend ansieht. Mehr noch, der Rat entscheidet letztlich selbst, mit welchen Situationen er sich wie beschäftigt. Folglich kann er auch in ähnlich gelagerten Fällen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Es liegt auf dieser Linie, dass der UN-Sicherheitsrat hinsichtlich jedes einzelnen Einschreitens bei Menschenrechtsverletzungen unterstrich, es handle sich nicht um einen Präzedenzfall.

Eine Untersuchung der menschenrechtsrelevanten Entscheidungen belegt diese Haltung. Im Falle der Menschenrechtsverletzungen an den Kurden und Schiiten im Irak im Jahre 1991 zog es der Rat vor, überhaupt nicht nach Kapitel VII der UN-Charta tätig zu werden. Folglich findet sich hier auch kein Beleg für eine Interventionspflicht. Letztlich stellte der Rat auch nur außerhalb des Kapitel VII fest, bei den grenzüberschreitenden Fluchtbewegungen aus dem Irak handle sich um eine regionale Friedensbedrohung. Anstatt weitere Maßnahmen anzudrohen, wurde die irakische Regierung lediglich aufgefordert, die Menschenrechte zu achten (Heintze 1991, 43) Demgegenüber hat der Rat das Massensterben und die Verweigerung der humanitären Hilfe innerhalb Somalias unter Kapitel VII zur Friedensbedrohung erklärt und Zwangsmaßnahmen – einschließlich einer militärischen Intervention – ergriffen. Begründet wurde dies mit humanitären Erwägungen. Gleichwohl kann daraus nicht eine generelle Interventionspflicht bei humanitären Katastrophen abgeleitet werden, da der Rat sein Tätigwerden mit dem dringenden Antrag der Regierung  Somalias („urgent calls from Somalia“) begründete und die Resolution 794 (1992) als absolute Ausnahme bezeichnete (Herbst  2000, 242). Bewertet man diese Argumentation des UN-Sicherheitsrates völkerrechtlich, so lag hier an sich keine humanitäre Intervention vor, den schließlich wurde auf Wunsch der somalischen Regierung gehandelt. Es ist bezeichnend für die Zögerlichkeit des Rates, dass er zu dieser Begründung für das militärische Tätigwerden in Somalia griff: schließlich war allgemein bekannt, dass Somalia ein „failed state“ war, in dem es keine effektive Regierung mehr gab.

Interessant im Hinblick auf die Entstehung einer möglichen Interventionspflicht war die Ruanda-Krise. Hier wurde nämlich gerade von afrikanischen Staaten – die zuvor zu den striktesten Interventionsgegnern gehörten – behauptet, die UNO habe eine Verpflichtung, sich um die ruandische Bevölkerung zu sorgen.[4] Dennoch wurde diese Einschätzung nicht in praktische Politik des UN-Sicherheitsrates umgesetzt. Die Mitgliedsstaaten waren nicht bereit, Truppen für eine humanitäre Intervention bereitzustellen. Als Frankreich schließlich Einheiten entsandte, dienten diese nicht vorrangig humanitären Zwecken. Entsprechend kritisch äußerte sich der UN-Generalsekretär:

“The delay in reaction by the international community to the genocide in Rwanda has demonstrated graphically its extreme inadequacy to respond urgently with prompt and decisive action to humanitarian crises entwined with armed conflict. … The international community appears paralysed in reacting almost months later even to the revised mandate established by the Security Council.  We all must recognize that, in this respect, we have failed in our response to the agony of Rwanda, and thus have acquiesced in the continued loss of human lives. Our readiness and capacity for action has been demonstrated to be inadequate at best, and deplorable at worst, owing to the absence of the collective political will.”[5]

Die Beispiele belegen, dass es eine Pflicht zur humanitären Intervention bislang nicht gibt. Gerade die USA wollten sich im Lichte der Erfahrungen in Somalia nicht auf eine abstrakte Interventionspflicht festlegen lassen und stimmten im Falle Ruandas nur militärischen Einsätzen mit klar definierten, begrenzten Zielen zu. Sie standen somit generellen Verpflichtungen ausdrücklich ablehnend gegenüber (International Panel 2001, 157) und damit ist eine wesentliche Voraussetzung der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht – das Vorliegen einer opinio iuris – nicht erfüllt. Daher lässt sich lediglich die Existenz eines Interventionsrechts des Sicherheitsrates bei schweren Menschenrechtsverletzungen konstatieren, nicht aber eine Interventionspflicht. Die von Senghaas angenommene „Art Rechtspflicht“ des Sicherheitsrates zur Intervention, die die Intervention nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten erscheinen lässt (Senghaas  1999, 136) ist weder als herrschende Auffassung der Völkerrechtswissenschaft noch als Staatenpraxis nachweisbar.

3. „Selbstmandatierte“ Intervention der NATO in Jugoslawien

Der Kosovo hat in drastischer Weise die Defizite bei der Durchsetzung des völkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes deutlich gemacht. Es dürfte unstrittig sein, dass die serbische Staatsmacht dort schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen gegenüber der albanischstämmigen Bevölkerung beging. Der genaue Umfang der Menschenrechtsverletzungen und ihre Begleitumstände sind weithin umstritten. So wird von Politikern als Rechtsfertigung für die Intervention angeführt, dort habe ein Völkermordverbrechen stattgefunden. (Deiseroth 2001, 46) Dies ist ebenso zu hinterfragen wie die Rolle, die die UCK gespielt hat. Ihre Aktionen haben zweifellos zu einem „Aufschaukeln“ des Konflikts beigetragen, indem den serbischen Sicherheitskräften erhebliche Verluste beigebracht wurden, was diese wiederum zu Überreaktionen veranlasste. Problematisch war auch die Rolle, die die UNO auf dem Balkan gespielt hat. Deren humanitäre Intervention in Bosnien-Herzegowina erreichte das Ziel nicht, Massaker zu verhindern und den potentiellen Opfern tatsächlich Schutz zu gewähren (Pape 1997, 245). Die Ursache dafür ist vor allem darin zu suchen, dass die Staaten nicht bereit waren, den Forderungen des Generalsekretärs entsprechend, eine hinreichende Zahl von Soldaten zur Verfügung zu stellen. Hinzu kam, dass das Mandat der Truppen nicht klar formuliert war und sich nicht auf die Hilfe für die Opfer des Konflikts beschränkte, sondern einen Beitrag zur Konfliktlösung erbringen sollte. Das Ergebnis war dementsprechend unbefriedigend. Die humanitäre Intervention blieb im Ansatz stecken, was insbesondere durch den Fall der Schutzzonen dokumentiert wurde. Die Mitverantwortung für den Tod von 7.500 Menschen wurde durch den Rücktritt der niederländischen Regierung am 15. 2. 2002 nach der Vorlage eines Untersuchungsberichts zur Rolle der Streitkräfte beim Fall von Srebrenica eingestanden.[6]

Als es im Frühjahr 1998 zu einer bedenklichen Zuspitzung der Lage der albanischstämmigen Zivilbevölkerung im Kosovo kam, beschloss der UN-Sicherheitsrat mit seiner Res. 1160 (1998) – gestützt auf Kapitel VII der Charta – eine Aufforderung an Belgrad, eine politische Lösung des Problems anzustreben. In den folgenden Monaten kam es jedoch zu einer Verschärfung der Auseinandersetzungen, so dass die Forderung nach Militärschlägen gegen Jugoslawien laut wurde. Möglichkeiten der Konfliktprävention wurden vertan (Weller 2002, 238). Der UN-Sicherheitsrat erwies sich allerdings wegen der Haltung Russlands und Chinas als handlungsunfähig. Dies belegt offenkundig die praktischen – nicht die juristischen – Defizite bei der internationalen Durchsetzung von Menschenrechten.

Daraufhin erklärte die NATO, „unter diesen außergewöhnlichen Umständen“ sei „die Drohung mit und gegebenenfalls der Einsatz von Gewalt durch die NATO gerechtfertigt.“[7]

Da nach der Struktur des gegenwärtigen Völkerrechts das „Gewaltmonopol“ beim UN-Sicherheitsrat liegt, kann eine Interventionspflicht anderer Organisationen stets nur im Wege einer völkerrechtlich nicht vorgesehenen Selbstmandatierung erfolgen. Am weitesten schritt die NATO voran, deren Evolution zu einer „neuen NATO“ bereits 1991 mit dem Strategischen Konzept von Rom begann (Bothe/Martenczuk 1999, 125). Die NATO wandte damit ein Denkkonzept an, das das Europäische Parlament schon 1994 proklamiert hatte und das es in einer Entschließung artikulierte: das Recht auf Intervention aus humanitären Gründen.[8] Diese Entschließung nahm seinerzeit bereits vieles vorweg, was dann 2001 Eingang in die R2P gefunden hat.

Die NATO war der erstmalige „Nutzer“ solcher politischer Denkkonzepte. Anwendung fand das Interventionsrecht bei der Durchsetzung der UN-Sanktionsmaßnahmen gegen die Bundesrepublik Jugoslawien und mit den massiven Luftschlägen gegen Stellungen der bosnischen Serben im Jahre 1995, die letztlich den Abschluss des Dayton-Abkommens ermöglichten. Freilich waren die Maßnahmen aufgrund der Sicherheitsratsresolution 816 (1993) gemäß Kapitel VII  ergriffen worden. Sie hatten somit eine zumindest grundsätzliche juristische Grundlage – wenn auch teilweise in einer rechtlichen Grauzone verortet und damit bereits Elemente der Selbstmandatierung aufweisend (Eisermann 2000, 309).

Beim Kosovo-Krieg gab es nicht einmal eine schwache Ermächtigung zur Einleitung militärischer Maßnahmen gegen Belgrad durch den UN-Sicherheitsrat. Vielmehr begann die NATO am 24. März 1999 mit Luftangriffen auf das jugoslawische Territorium ohne jede Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat. Damit ermangelte es eines völkerrechtlichen Rechtfertigungsgrundes. Auch auf das Recht zu kollektiver Selbstverteidigung konnte man sich nicht berufen, da dies nur von außen angegriffenen Staaten zusteht und der Kosovo unstrittig Teil Jugoslawiens ist. Rechtfertigungsgründe aus dem Recht der Staatenverantwortlichkeit wie Nothilfe und Notstandshilfe (Ipsen 1999, 19) ließen sich auch nicht anführen, da sie nur von Staaten geltend gemacht werden können, denen Menschen anvertraut sind, die sie zu schützen haben. Das war bei den Kosovo-Albernern nicht der Fall, da diese nicht dem Schutz der NATO-Staaten unterstanden. Eine Schutzpflicht besteht jedoch nur im Bereich der eigenen Hoheitsgewalt (Kälin 2000, 166). Andere kritische Positionen setzen um Umstand an, dass die NATO-Staaten nicht alle Möglichkeiten genutzt haben, um die UNO umfassend mit dem Kosovo-Problem zu befassen. Insbesondere wurde nicht versucht, die Generalversammlung auf der Grundlage des „Uniting for Peace“-Resolution aus dem Jahre 1950 einzubeziehen. Diese Resolution erlaubt bei der Blockade des Sicherheitsrates die Generalversammlung mit dem Thema zu befassen. Es scheint jedoch offensichtlich, dass die NATO-Staaten diesen Weg nicht beschritten, weil die Staatenmehrheit höchst wahrscheinlich einer humanitären Intervention nicht zugestimmt hätte. In der Literatur wird weiterhin kritisch angemerkt, dass der Umfang der Menschenrechtsverletzungen im Kosovo im Frühjahr 1999 nicht das Niveau eines Völkermordes erreicht habe, so dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeit keine humanitäre Intervention berechtigt gewesen sei. Das erkläre auch, weshalb die Res. 1244 des UN-Sicherheitsrates nicht nachträglich die Intervention für rechtens erklärt habe (Flauss 2002, 87).

4. Völkerrechtliche Konsequenzen des Kosovo-Einsatzes?

Selbst Autoren, die die NATO-Intervention letztlich befürworteten, anerkennen, dass der Einsatz ohne Mandatierung oder Autorisierung durch den UN-Sicherheitsrat „rechtlich als prekär angesehen werden musste.“ Gleichwohl schließen sie daraus nicht auf eine Rechtswidrigkeit der Vorgehensweise. Vielmehr wird aus dem „Nichthandeln“ des Rates die Möglichkeit der Rechtfertigung eines bewaffneten Eingreifens aus notstandsähnlichen Erwägungen abgeleitet. Zugestanden wird aber, dass die Zahl der Verluste unter der Zivilbevölkerung im Kosovo hoch blieb, weshalb die Rechtsfertigung dieses Krieges ohne Mandat des Sicherheitsrats als „äußerst prekär“ angesehen werden müsse. (Frowein 2001, 898). Diese Argumentation bezieht sich freilich nicht vorrangig auf die Frage, ob die Umgehung des Gewaltmonopols des Rates rechtens war. Stattdessen wird auf die Zahl der Opfer abgestellt. Dies ist jedoch in erster Linie ein Problem der Art und Weise der Kriegsführung und sagt nicht über die Legitimität dieses Krieges.

Auch andere Autoren kritisieren die Kriegsführungsmethode. So wirft Stein dem Westen vor, er sei nur bereit gewesen, „ein minimales Risiko einzugehen“ und konnte militärisch mit dem Luftkrieg nur sehr begrenzt etwas erreichen. Damit wird die moralische Legitimation für den Angriff – die NATO habe ja nur uneigennützig den Menschen helfen wollen – grundsätzlich infrage gestellt. Gleichwohl wird aus dem Kosovo-Krieg gefolgert, dass das Gewaltmonopol der Vereinten Nationen „nicht mehr unangefochten gilt.“ (Stein 2002, 21) Statt dessen werden in der Literatur Kriterien genannt, nach denen ein nicht-UN-autorisierter Gewalteinsatz in Zukunft möglich sein sollte. Im Zentrum steht dabei die Forderung: Das Verfahren nach der UN-Charta muss versucht worden sein, d.h. der Sicherheitsrat und die Generalversammlung müssen erfolglos angerufen und mit der Sache befasst worden sein. Es muss sich weiterhin um schwere und systematische Menschenrechtsverletzungen handeln und Maßnahmen der friedlichen Streitbeilegung müssen versucht worden sein. Die Operation ist ferner auf das humanitäre Anliegen zu beschränken und muss dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgen. Schließlich sei nur eine Gruppe von Staaten, nicht aber eine Hegemonialmacht allein, zur Intervention berechtigt (Stein 2002, 32). Diese Kriterien sind bislang allerdings nur in der Literatur erwogen worden. Eingang in eine völkerrechtliche Vereinbarung haben sie noch nicht gefunden.

4.1. Fortbestehende Ungereimtheiten bezüglich Kosovo

Die Bestrebungen, Kriterien für völkerrechtsgemäße humanitäre Interventionen aufzustellen, entspringen vor allem dem moralischen Dilemma, dass rechtstreue Staaten auf schwerste Menschenrechtsverletzungen reagieren müssen und die betroffenen Menschen nicht ihrem Schicksal überlassen können. Gleichwohl stoßen diese Kriterien wiederum sehr schnell an politische und Machbarkeitsgrenzen. Das zeigte sich, als kurz nach der Kosovo-Intervention indonesische Milizen in Ost-Timor ein Blutbad anrichteten, um die Unabhängigkeit dieses Volkes zu verhindern. Hier ließ die humanitäre Intervention auf sich warten, weshalb sich wiederum erneut die Frage stellte, ob der Westen denn nicht auch bei den humanitären Interventionen Doppelstandards – je nach politischer Opportunität – anlegt (Sassoli 2000, 207). Andere massive Menschenrechtsverletzungen finden sich bislang nicht auf der Tagesordnung des UN-Sicherheitsrats, obwohl sie tausende Opfer forderten. Hat die NATO also durch ihre Intervention gegen Belgrad überreagiert, weil sich dies alles „vor der Haustür“ abspielte und neue Flüchtlingsströme nach Westeuropa befürchtet wurden?

Was auch immer die konkreten Beweggründe in Brüssel gewesen sein mögen, es kann nicht übersehen werden, dass die NATO-Maßnahmen auf der Linie lagen, die der UN-Sicherheitsrat mit der Verurteilung Serbiens für seine Politik im Kosovo mit der Resolution 1199 vorgegeben hatte. Hier blieb der Rat allerdings auf halben Wege stehen, indem er die Existenz einer Friedensbedrohung feststellte, aber nichts zu seiner Überwindung tat. Auf die Dauer konnte eine verantwortungsbewusste Staatengemeinschaft nicht lediglich konstatieren, dass es eine Friedensbedrohung gab. Im konkreten Fall trugen Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrates eher noch zur Zuspitzung des Konflikts bei: Die (militärische) Unterstützung der UCK durch NATO-Staaten bzw. deren Duldung einer derartigen Tätigkeit des albanischen Diaspora führte sicher nicht dazu, die konstatierte Friedensbedrohung abzubauen. Gleichwohl stieg damit der Handlungsbedarf, denn die Kämpfe nahmen zu, so dass die Region in eine immer bedrohlichere Lage geriet. Daher verwunderte die sicher auch aus diesen praktischen Erwägungen entspringende breite regionale Unterstützung der NATO-Maßnahmen nicht, die in der Beteiligung von 19 Staaten an der NATO-Intervention zum Ausdruck kam. Letztlich  folgte die Intervention in der letzten Konsequenz dem Pfad, den der UN-Sicherheitsrat mit seiner Resolution 1199 bereits eingeschlagen hatte. Die NATO schritt im März 1999 zu militärischen Maßnahmen mit dem erklärten Ziel, die konstatierte Friedensbedrohung zu überwinden, freilich ohne durch das zuständige Staatengemeinschaftsorgan dazu ermächtigt zu sein.

Unter diesen Umständen wäre zu erwarten gewesen, dass nach dem Ende der Bombardierungen der UN-Sicherheitsrat Stellung zu den Maßnahmen der NATO genommen hätte. Dies erfolgte nicht. Zu vermuten ist, dass die Ursache dafür letztlich in dem Umstand liegt, dass die NATO keinen Sieg über Milosevic errungen hatte. Der Diktator gab letztlich auf, weil Russland ihm jede Unterstützung entzogen hatte. Russland war aber nicht interessiert an einer nachträglichen Rechtfertigung der NATO-Maßnahmen, sondern an einem maßgeblichen Anteil an der KFOR. Folglich enthält die nach dem Waffengang der NATO verabschiedete Sicherheitsratsresolution 1244 (1999), die die Schaffung der UN-Verwaltung für den Kosovo zum Gegenstand hat, keine Aussage zur Rechtmäßigkeit der NATO-Bombardements.

Angesichts der offenen Fragen – auch die Klage Jugoslawiens gegen die NATO-Staaten konnte keine Antwort erbringen, da sie vom IGH verworfen wurde – kann der Kosovo-Krieg  nicht als Präjudiz für die Rechtmäßigkeit humanitärer Interventionen außerhalb des UN-Systems herangezogen werden. Hinzu kommt, dass auch die westlichen Staaten kein allgemeines Recht auf humanitäre Interventionen behaupten und nicht müde werden, den absoluten Ausnahmecharakter des Kosovo-Einsatzes zu unterstreichen (Nolte 1999, 959). Gerade in Deutschland mögen dafür auch verfassungsrechtliche Bedenken Anlass sein (Epping 2000. 615).

4.2. Moralisches Dilemma besteht fort

Zweifellos hat die NATO-Intervention zahlreiche völkerrechtliche Probleme aufgeworfen und der Jurist wünscht sich natürlich die Klärung durch eine völkerrechtliche Kodifizierung (Henke 2009, 15). Aber diese ist angesichts der politischen Gemengelage nicht zu erwarten. Deshalb ist es zu begrüßen, dass zumindest auf der im Bereich der Aktivitäten der UNO Fakten geschaffen wurden. So fragte der UN- Generalsekretär auf dem Millenniums-Gipfels der Vereinten Nationen, wie auf Menschenrechtsverletzungen vom Schlage des Völkermords in Ruanda und des Massakers in Srebenica zu antworten sei, wenn humanitäre Interventionen aus Rücksicht auf die staatliche Souveränität nicht zulässig seien. Eine Antwort versuchte die „Internationale Kommission zur Intervention und Staatensouveränität“ zu geben, deren umfangreicher Bericht 2001 vom kanadischen Außenministerium vorgelegt wurde (Williams 2002, 10). Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass sich eine Theorie und Praxis der humanitären Interventionen herauszubilden beginne, deren rechtliche Grundlage letztlich eine Verpflichtung sei, bedrängten Menschen Schutz zu gewähren. Dieser Gedanke der Schutzgewährung liege dem individualschützenden Völkerrecht zugrunde. So verpflichtet das humanitäre Völkerrecht die am bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien, Nichtkombattanten zu schützen. Das Flüchtlingsrecht ermächtigt den UNHCR, für den Schutz der Flüchtlinge einzutreten. Die Idee der Schutzverpflichtung ist somit nicht neu. Offen bleibt allerdings die Frage, wie der Schutz durchgesetzt werden kann und ob er gar zu erzwingen ist. Darauf gibt das Völkerrecht bislang keine Antwort. Es bleibt folglich lediglich der Weg über den UN-Sicherheitsrat und über die Feststellung einer Friedensbedrohung. Nur dann ist eine humanitäre Intervention gerechtfertigt. Auch der Kosovo-Krieg hat bislang nicht zur Entstehung neuer Völkerrechtsnormen geführt.

Zu bedenken ist weiterhin, dass die humanitäre Intervention nicht dazu in der Lage ist, den Konflikt tatsächlich langfristig zu lösen. Die humanitäre Intervention hat nämlich nur eine „trügerische Faszination“ (Hilpold 1999, 157). Kosovo und Osttimor zeigen, dass der Wiederaufbau einer friedlichen Post-Konflikt-Gesellschaft außerordentlich aufwendig ist und eine Kraftanstrengung der gesamten Staatengemeinschaft erfordert (Bothe/Marauhn 2000, 156). Schlussendlich landen die Probleme krisengeschüttelter und von Konflikten betroffener Gesellschaften dann doch wieder bei den Vereinten Nationen. Deshalb muss diese Organisation auch bei der Entscheidung zu einer humanitären Intervention das Sagen haben. Aber die Geschichte lehrt auch, dass die humanitäre Intervention nur im Notfall zur Anwendung kommen kann. Das Schwergewicht muss bei der Prävention von Konflikten liegen.

5. Das Konzept der R2P

Die Empfehlungen der International Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS) wurden im Jahr 2001 veröffentlicht. Sie betrachten die staatliche Souveränität in einem anderen Licht, denn sie wird als Instrument zum Schutz der Bevölkerung verstanden.  Staaten, die schwerste Menschenrechtsverletzungen dulden oder begehen, können sich nicht auf den Schutzschild Souveränität berufen. verstecken. Solche Verbrechen werden in einen internationalen Zusammenhang gestellt. Dann nämlich, wenn ein Staat nicht willens oder in der Lage ist, seine Bevölkerung vor Genozid, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen, geht die Verpflichtung zum Schutz auf die anderen Mitglieder der internationalen Gemeinschaft über. Mit dem Übergang dieser Verantwortung zum Schutz an die anderen Mitglieder der internationalen Gemeinschaft – und damit zumindest einer teilweisen und temporären Einschränkung der Souveränität des betroffenen Staates – soll der Staat dazu gebracht werden, sich wieder völkerrechtskonform zu verhalten. Macht sich ein Staat schwerer Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, so hat die internationale Gemeinschaft nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, zu intervenieren.

Die R2P umgeht ausdrücklich nicht den kontroversen Begriff der humanitären Intervention, revolutioniert aber dennoch die Interpretation der völkerrechtlichen Pflichtenlage, denn sie gibt den Menschenrechten im Konflikt Vorrang vor dem Rechtsgut der staatlichen Souveränität. Doch diese Herangehensweise ist in erster Linie ein rechtstheoretisches Problem.

Von praktischer Bedeutung ist demgegenüber, dass sich die R2P nicht lediglich auf die (möglicherweise militärische) Reaktion auf Menschenrechtsverletzungen beschränkt. Vielmehr umfasst das Konzept auch die Bereiche der Prävention („Responsibility to Prevent“), der Reaktion („Responsibility to React“) und des Wiederaufbaus („Responsibility to Rebuild“). Die Schutzverantwortung wird damit als Prozess verstanden, der die militärische

Intervention dann vorsieht, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft wurden.

5.1. Eingang der R2P in UN-Dokumente

Das Konzept der Expertengruppe fand schließlich Eingang in die UN-Dokumente. Erstamals 2004 in den Bericht des Secretary General’s High-level Panel on Threats, Challenges

and Change als auch in das Dokument „In Larger Freedom“. Beide Berichte sind  Schlüsseldokumente des UN-Reformprozesses und empfehlen den Regierungen, die R2P zu unterstützen. Schließlich fand die R2P im Jahre 2005 Aufnahme in den Abschlussbericht des UN-Weltgipfels im September 2005. Ausdrücklich wird darin festgestellt, dass zwar die Regierungen für den Schutz ihrer Bevölkerungen verantwortlich sind. Falls sie aber nicht willens oder nicht in der Lage sind, ihrer Verantwortung nachzukommen, geht diese Verantwortung auf die internationale Gemeinschaft über. Sie soll mit friedlichen Mitteln die Bevölkerung schützen. Die internationale Gemeinschaft soll durch den Sicherheitsrat handeln (Schaller APuZ 2008, 9). Damit machte sich die UN wesentliche Komponenten der R2P zu eigen, übernahm das Konzept aber nicht völlig. Insbesondere fand die “Responsibility to Rebuild” keine Erwähnung. Auch die vorgeschlagenen Kriterien für eine militärische Intervention wurden nicht übernommen.

Auch in Sicherheitsratsresolutionen finden sich Bezüge auf das Konzept, so in der Resolution „Protection of civilians in armed conflict“[9] und den Resolutionen zur Entsendung von UN-Friedenstruppen nach Darfur.[10]

5.2. Darf oder muss Gewalt angewendet werden?

Die R2P zielt darauf ab,  Menschenrechtsverletzungen zu vermeiden. Sollte dies nicht möglich sein, so sind durch die internationale Gemeinschaft durch nichtmilitärische Zwangsmaßnahmen gegen den Verursacherstaat der Rechtsverletzungen zu ergreifen. Ist diese erfolglos, so ist als ultima ratio auch eine militärische Intervention zum Schutz der Bevölkerung vorgesehen. Als erstes Kriterium für die Anwendung von Waffengewalt nennt die R2P daher, dass die Gewalt das letzte Mittel (last resort) der Einwirkung auf den Rechtsverletzer ist. Als zweites Kriterium wird der gerechte Grund für die Intervention genannt (just cause). Voraussetzung ist demnach eine akute Bedrohung des Lebens einer großen Anzahl von Menschen oder eine ethnische Säuberung und die Unwilligkeit oder Unfähigkeit des Staates, dagegen vorzugehen. Das dritte Kriterium ist die aufrichtige Absicht der intervenierenden Staaten (right intention). Das ausschließlich Ziel muss die Überwindung der Leiden der Menschen sein. Die Herbeiführung des Sturzes einer Regierung ist grundsätzlich kein legitimes Ziel der R2P. Um die aufrichte Absicht der militärischen Intervention deutlich zu machen, ist ein multilaterales Vorgehen anzustreben.

Das vierte Kriterium ist die Verhältnismäßigkeit (proportional means) des Vorgehens anzuführen. Demnach darf der Umfang, die Dauer und Intensität des Eingriffs nicht über das Ziel des Schutzes der Zivilbevölkerung hinausgehen. Das fünfte Kriterium umfasst die Forderung nach vernünftigen Erfolgsaussichten (reasonable prospects) der militärischen Intervention. Demnach ist von solchen Maßnahmen abzusehen, wenn zu erwarten ist, dass sich die Lage der Bevölkerung nach der Intervention verschlechtert.

Die Kriterien klingen vernünftig und sind nachvollziehbar. Allerdings werfen sie die Frage auf, wer und wie die Nachweise für die infrage stehenden Verbrechen, die den Einsatz militärischer Gewalt legitimieren würden, erbracht werden können. Aber selbst wenn es eindeutige Beweise gäbe, so ist die Entscheidung über einen Einsatz immer noch abhängig vom politischen Willen. Das machte der Irak-Krieg der USA 2003 offenkundig. Hier gab es hinreichende Erkenntnisse darüber, dass der Irak 2003 nicht mehr über Massenvernichtungswaffen verfügte, was durch die satellitengestützte und Luftaufklärung wir durch die Vor-Ort-Kontrollen unter der Leitung von Blix bestätigt wurde. Dennoch setzten sich die USA und Großbritannien über die Beweise hinweg und arbeiteten mit Lügen (Ehrenberg 2010, 147). Letztlich ist somit die politische Instanz, die die Entscheidung über den Einsatz trifft, gefragt. Sie wird in der R2P adressiert, indem das Kriterium der „right authority“ angeprochen wird. Entsprechend dem völkerrechtlichen Gewaltmonopol beim  UN-Sicherheitsrat muss jeder Einsatz militärischer Gewalt durch den Sicherheitsrat legitimiert werden. Freilich zeigt sich in der Praxis, dass der Sicherheitsrat entgegen seinem Mandat oftmals politisch blockiert ist. Das hat in der Vergangenheit im Falle Koreas 1950 dazu geführt, dass sich auf der Grundlage der Resolution  „Uniting for Peace“ die UN-Generalversammlung mit dem Problem beschäftige und  Empfehlungen aussprach. Freilich sind derartige Resolutionen nicht verbindlich und ermächtigen nicht zur Anwendung von Gewalt. Denkbar wäre auch ein Tätigwerden der  Regionalorganisationen nach Kapitel VIII der UN-Charta, die allerdings nachträglich  die Zustimmung des Sicherheitsrats anfordern müssten. So gingen der UN-mandatierten humanitären Intervention 1994 in Haiti zahlreiche Debatten und Beschlüsse der OAS voraus.

Freilich gefährdet die durch die R2P angestrebte Legalisierung der Gewaltanwendung zugunsten des Menschenrechtsschutzes das strikte völkerrechtliche Gewaltverbot, so dass vielfach befürchtet wird, dieses Instrument könne für politische zwecke missbraucht werden. Insbesondere Entwicklungsländer befürchten dies, während China und Russland am Souveränitätsdogma festhalten. Notwendig ist angesichts dieser divergierenden Auffassung ein weitere Diskussion dieses Konzepts um zu verhindern, dass die Völkerrechtsordnung immer weiter in unterschiedliche Rechtskreise zerfällt. Das Beispiel des Kosovo, wo auch zwei Jahre nach der einseitigen Unabhängigkeitserklärung immer noch kein Konsens über den Status herbeigeführt wurde, ist symbolisch für die Zerbröselung der Völkerrechtsordnung durch die Unfähigkeit der Großmächte zur Akzeptanz eines Kompromisses. Das Menschenrechtsthema, die Abwendung von völkerrechtlichen Verbrechen an unschuldigen Menschen, ist zu wichtig, als dass man es politischen Ränkespielen überlassen könnte. Daher ist es sehr zu begrüßen, dass die R2P immer deutlichere – auch völkerrechtliche Gestalt annimmt, obwohl es sich nach wie vor um ein politisches Konzept handelt (Schaller SWP 2008, 2). Zu dieser Fortentwicklung kommt es vor allem durch den Umstand,  dass der UN-Generalsekretär regelmäßige Berichte über die „Umsetzung der Schutzverantwortung“ vorlegt. Damit ergeht es den Ergebnissen des Millenniumsgipfels anders als sonstigen Resolutionen der UN-Generalversammlung, die oftmals direkt ins Grab der ungelesenen Dokumente wandern. Der jüngste Bericht[11] ist aufschlussreich und zeigt, dass das Konzept weiterhin große internationale Aufmerksamkeit genießt.

Literatur:

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[1] UN-Doc. A/2625 [XXV].

[2] Case concerning Military an Paramilitary Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, S. 14

[3] So erklärte am 17. April 1991 Außenminister Genscher vor dem Deutschen Bundestag: „Die Resolution 688 hat historische Bedeutung. Sie hat erstmals in der Geschichte der Vereinten Nationen in dieser Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass die Missachtung der Menschenrechte den internationalen Frieden und die Sicherheit bedroht. Sie kann nicht mehr nur als innere Angelegenheit eines Staates behandelt werden. Das ist eine wichtige Fortentwicklung des Völkerrechts. Künftig kann sich keine Regierung, die Völ­kerrecht und Menschenrechte mit Füßen tritt, die die Bürger ihres Landes unterdrückt und zur Flucht zwingt, darauf berufen, dass solche Vorgänge eine innere Angelegenheit sind, die der Mitsprache der Völkergemeinschaft und der Vereinten Nationen entzogen sind.“ Abgedruckt in: Europa-Archiv 1991, D 238.

[4] So Nigeria in UN-Doc. S/PV.3368, S. 3

[5] UN-Doc. S/1994/640, para. 43

[6] Die Welt vom 16. 2. 2002

[7] In: Internationale Politik, Nr. 5/1999, S. 91 f.

[8] Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Dok. C128 vom 9.5.1994

[9] UN-Doc. S/1674 (2006).

[10] UN-Doc. S/1706 (2006) S/1755 (2007).

[11] UN-Doc. A/63/677.

uropa-Archiv 1991, D 238.

[4] So Nigeria in UN-Doc. S/PV.3368, S. 3

[5] UN-Doc. S/1994/640, para. 43

[6] Die Welt vom 16. 2. 2002

[7] In: Internationale Politik, Nr. 5/1999, S. 91 f.

[8] Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Dok. C128 vom 9.5.1994

[9] UN-Doc. S/1674 (2006).

[10] UN-Doc. S/1706 (2006) S/1755 (2007).

[11] UN-Doc. A/63/677.

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